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Obama mit BlackBerry.

Foto: AP/Jae C. Hong

Manche sprechen zum Amtsantritt Barack Obamas bereits von einer US-Präsidentschaft 2.0. Denn der Sieg Obamas hat der politischen Begeisterung und dem Einsatzwillen tausender Durchschnittsbürger bisher offensichtlich keinen Abbruch getan. Statt wie sonst nach dem Urnengang die Füße hochzulagern, sind sie bei lokalen Treffen und vor allem im Internet weiterhin am Diskutieren und Organisieren.

Obama-Hauspartys

Jim Buie organisierte etwa knapp vor Weihnachten in seinem Haus im ländlichen North Chatham County, North Carolina, eine von geschätzten 10.000 Obama-Hauspartys. Ziel dieser lokalen Treffen war es, Wahlgeschichten auszutauschen, die zukünftige Einsatzbereitschaft der Teilnehmer zu besprechen und regionale Initiativen zu planen.

Dank E-Mail-Adressen von Obamas Website war die Planung einfach. "24 Leute sagten zu", erinnert sich der 54-Jährige. "Das ist sehr viel für eine ländliche Region, vor allem nach der Wahl." Eine Zusammenfassung der Hausparty inklusive Fotos hat der begeisterte Blogger Buie gleich auch online gestellt.

"Yes we cans"

Seither spendet und sammelt sein Hausparty-Team regelmäßig Dosennahrung und liefert sie an Lebensmittelbanken in der Umgebung. Der Name der Aktion ist ein Wortspiel mit Obamas Wahlkampfslogan und dem englischen Wort für Dosen: "Yes we cans". Kann Obama diese Begeisterung der Basis mittels digitaler Medien weiter nutzen, und soll er das überhaupt noch, sobald er im Weißen Haus einzieht? Politische Beobachter diskutieren seit Wochen intensiv die Zukunft der Obama-Bewegung.

"Obama wird in die Geschichte eingehen als erster US-Präsident, der die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters ausgelotet hat," meint Kevin Wagner, Politologe an der Florida Atlantic University. "Ich glaube, er wird viele Leute engagiert halten und zu Freiwilligenleistungen bewegen können." Denn der Politologe meint, dass sogar ein bisschen Aufmerksamkeit vielen, vor allem jungen Wählern und Bloggern schon viel wert ist.

Josh Bernoff, Analyst für digitale Medien bei Forrester Research, sieht die bald nach dem Obama-Sieg von dessen Team gestartete Website Change.gov als wichtiges Instrument, mit der Interessierte solcherart eingebunden werden. Unter anderem bloggten hier Mitglieder des Obama-Teams regelmäßig vor dem Amtsantritt über wichtige Treffen und Entscheidungen - oft mit Videos, die auch auf YouTube zu finden waren.

"Der Austausch ist hier viel offener, als ich es je erlebt habe bei einem angehenden Präsidenten", sagt Bernoff. "Obama hat eine neue Ebene direkter Kommunikation erreicht."

Interessierte können auf der Website auch aktiv werden, etwa mit Fotos und Kommentaren zu ihren Zukunftsvisionen und über Anmeldungen zu sozialer Freiwilligenarbeit. Experten erwarten, dass das Obama-Team in Zukunft auch Webcasts und vielleicht sogar Online-Fragestunden mit dem Präsidenten organisieren könnte.

Guter Zuhörer

Aber Web-Abstimmungen über wichtige politische Entscheidungen hält niemand für wahrscheinlich. "Politische Partizipation hat auch im Digitalzeitalter ihre Grenzen", sagt Wagner. "Obama ist ein guter Zuhörer, aber es gibt keinerlei Hinweise, dass er Entscheidungen über Poster-Boards trifft."

Die anhaltende Aufbruchsstimmung erinnert Ted Morgan, der an der Lehigh University politische Bewegungen studiert, an die Zeit John F. Kennedys. "Wie auch JFK inspiriert Obamas Rhetorik den Glauben, dass das Land in die richtige Richtung gehen kann, wenn nur genügend Leute mithelfen", sagt er. Die nächste große Prüfung für die Obama-Bewegung könnte das wirtschaftliche Stimulus-Paket werden. Auch Buie erwartet, eine Rolle spielen zu können beim lokalen Umsetzen der Pläne des Präsidenten. Beobachter warnen aber, dass manche möglicherweise die Grenzen politischer Mitbestimmung nach Obamas Machtantritt noch unterschätzen.

Sie und solche, die erste harte politische Entscheidungen nicht mittragen, könnten relativ schnell zu enttäuschten Anti-Obama-Aktivisten werden, sagt Morgan.

"Manche Leute meinen, sie müssten für Themen, die ihnen am Herz liegen, eintreten, auch wenn es bedeutet, gegen Obama zu arbeiten", sagt er. "Ich erwarte, dass sie Lärm machen und ihre Online-Netze gegen den Präsidenten einsetzen werden." Buie sieht die Sache aber gelassen. "Ich bin sicher, wir werden zumindest manchmal nicht übereinstimmen, und wir werden das auch ausdrücken", sagt er. "Aber das Wichtigste ist, dass dank der neuen Medien Leute in den Dialog eingebunden werden und an der Verbesserung des Landes mitarbeiten können." (Georg Szalai/DER STANDARD Printausgabe,  20 .Jänner 2009)