STANDARD: Sie haben als erster burgenländischer Landeshauptmann nicht nur Mattersburg, sondern auch Mattersdorf besucht. Warum?

Niessl: Es gibt eben mit Kirjat Mattersdorf eine besondere historische Verbindung. Und es war für mich ein hochinteressanter Besuch, weil der Oberrabbiner von Kirjat Mattersdorf, ein Enkel des letzten Mattersburger Rabbiners, Samuel Ehrenfeld, immer noch einen sehr starken Burgenlandbezug hat, das Burgenland auch sehr genau kennt.

STANDARD: Sie haben im Anschluss daran gesagt, dass das Burgenland eine besondere Verantwortung gegenüber den - große Anführungszeichen - Altburgenländern hat. Wie sieht das konkret aus?

Niessl: Unbedingt müssen die Friedhöfe in entsprechender Form erhalten werden. Friedhöfe sind ja ein Zeichen dafür, dass Menschen hier gelebt haben. Diesbezüglich gibt es auch schon einen Termin mit Ariel Muzicant. Die Erhaltung, darauf lege ich Wert, muss nach den Richtlinien der Kultusgemeinde erfolgen.

STANDARD: Sie waren Bürgermeister in Frauenkirchen, einer der sieben nordburgenländischen jüdischen Gemeinden. Was haben Sie da getan?

Niessl: Da habe ich vor allem Jugendprojekte unterstützt, die sich um den jüdischen Friedhof gekümmert haben. Das hat natürlich auch einen gewissen pädagogischen Effekt. Die jungen Leute waren, unter fachlicher Anleitung natürlich, mit sehr viel Engagement bei der Sache.

STANDARD: Kommt Ihre Initiative, historisch gesehen, nicht ziemlich spät? Oder anders: Hat das Burgenland da nicht Aufholbedarf?

Niessl: Es ist zu jeder Zeit einiges passiert. Wäre das nicht so, würde es weder das jüdische Museum in Eisenstadt noch die jüdischen Friedhöfe geben. Aber zugegeben, es gibt durchaus Aufholbedarf. Und es ist jetzt wieder der Zeitpunkt, eine Offensive zu starten und zu sagen: Jetzt kommen viele Friedhöfe besonders in die Jahre, jetzt müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das auch für die nächsten Generationen absichern.

STANDARD: In Rechnitz sucht man immer noch die Massengräber der 200 Ermordeten, in Oberschützen steht weiterhin protzig und kaum kommentiert das Anschlussdenkmal. Eine der wenigen erhaltenen Synagogen Österreichs, die in Kobersdorf, wird erst jetzt nach und nach hergerichtet. Summiert sich das alles nicht allmählich zu einer Agenda für die Landespolitik?

Niessl: Ich habe darüber auch mit Herrn Muzicant gesprochen. Und bin mit ihm einer Meinung, dass man Dinge schaffen soll, die nach Möglichkeit öffentlich zugänglich sind. Zeichen sollen nicht gesetzt werden, bloß um ein Zeichen zu setzen. Und in Rechnitz ist das mit dem Kreuzstadl ja auch passiert.

STANDARD: Sollte das Burgenland nicht auch eine offensivere Einladungspolitik gegenüber den Vertrieben und deren Nachkommen machen, wie es zum Beispiel in Stadtschlaining schon passiert?

Niessl: Das Land unterstützt seit Jahren eine Initiative der evangelischen Kirche, die Jugendliche aus Israel und aus Palästina ins Burgenland einlädt. Das ist ein kleiner Impuls, auch ein Zeichen. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2009)