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Neue Musikbezahl-Modelle sollen Musiker und Labels die Einnahmen zurückbringen

Foto: Reuters

Wer die Musik seiner Lieblingsband lieber ohne Werbebotschaft konsumiert, könnte in Zukunft zum Internetanschluss eine Musikpauschale zahlen müssen: Mit Werbefinanzierung oder einer Pauschal-Lizenzgebühr auf jede Art der Nutzung - also auch das Kopieren - von Musik im Internet sollen in Zukunft die Musiker und Labels zu jenen Einnahmen kommen, die ihnen durch die Einbrüche bei den CD-Verkäufen entgehen. Diese zwei Modelle diskutierten am Sonntagvormittag bei der Musikmesse MIDEM in Cannes Internet-Experten, Vertreter von Providern und Verwertungsgesellschaften.

Exzessiver Bedarf an Musik

Die legalen digitalen Verkäufe wachsen zwar, aber nicht genug, um jene Einbußen aufzufangen, die der Musikindustrie laut eigenen Angaben durch illegales Kopieren im Internet entstehen. Es gebe "exzessiven Bedarf an Musik - und ein disfunktionales Geschäftsmodell", sagte der ehemalige Popstar und nunmehrige Musiklobbyist Feargal Sharkey. Seit Jahren suchen daher die Beteiligten Möglichkeiten, Geld über andere Kanäle zu finden - denn niemand wolle in einer Welt leben, "in der niemand Content produziert, weil am anderen Ende keine Einnahmen stehen", sagte Musikvordenker Peter Jenner am Sonntag. "Wir sind in einer Krise, und die hört nicht auf."

Fans bereit zu zahlen

Musik ist zwar über illegales Kopieren gratis verfügbar. Doch seien viele Fans "dennoch bereit, dafür zu zahlen - es ist nur die Frage, wie viel", sagte Kenth Muldin von der schwedischen Verwertungsgesellschaftenvereinigung STIM. Die beiden heute diskutierten Modelle sind lange schon in Diskussion - angesichts der schrumpfenden Einnahmen wurde bei der MIDEM jedoch Optimismus versprüht, dass bald eine Umsetzung und auch neue legale Downloadangebote zur Verfügung stehen sollen. "Ich würde mich wundern, wenn wir in zwölf Monaten noch die selbe Diskussion führen", sagte Sharkey.

Modell für Gratis-Musik

Der "Medienfuturologe" Gerd Leonhard sieht die Lösung darin, die Konsumenten gar nichts für Musik zahlen zu lassen, sondern jene Geldgeber anzuzapfen, die gerne den Musikkonsum für ihre Zwecke nützen wollen: Große Unternehmen, die ihre Marken bewerben wollen, soziale Websites, die von der Aktivität ihrer Fans leben, und Suchmaschinen wie Google haben Werbe- oder Entwicklungsbudgets, die doch in die Finanzierung von Musik fließen könnten, so Leonhard. Die Musikindustrie solle sich um eine einfache Pauschallizenz für Musikkonsum bemühen, über die dann die Einnahmen verteilt werden.

Lizenzgeführen über Providern einheben

Ein anderer Ansatz ist, direkt bei den Providern derartige Lizenzgebühren einzuheben. Dies ist zwar bei vielen Providern wegen der Verteuerung nicht eben beliebt, und auch viele Kunden sehen es nicht gerne, wenn sie derartige Gebühren entrichten müssen. Doch neuen Wind hat diese alte Initiative, die auch den Providern neue Geschäftsmodelle geben könnte, nach Vorbild der Leerkassettenvergütung dadurch erhalten, dass eine weniger wünschenswerte Alternative droht.

Wirkungslose Klagen

Denn nach den im Gesamtbild großteils wirkungslosen Klagen gegen einzelne Nutzer, mit denen die Musikindustrie das illegale Kopieren von Musik eindämmen wollte, wird nun vermehrt - insbesondere in Frankreich und Großbritannien - das Heil bei den Providern gesucht. Diese sollen, laut Gesetzesinitiativen in diesen Ländern, die Internetnutzung der Kunden überwachen und bei Urheberrechtsverletzungen zuerst warnen und dann den Internetanschluss kappen, das sogenannte "Three Strikes Out"-Konzept.

Neue Businessmodelle gefragt

Nicholas Lansman vom britischen Providerverband ISPA betonte gegen das "Three Strikes Out"-Konzept, dass "Gesetze selten das verhindern, was sie verbieten". Es müssten "neue Businessmodelle entwickelt werden, die den Nutzern besseren und billigeren Zugang zu jener Musik geben, die sie wollen, in dem Format, das sie wollen". Und in Hinblick auf Pauschalabgaben sagte er: "Nicht jeder User will Musik." Auch Sharkey sagte: Gesetzliche Eingriffe müssen sich dem Nutzungsverhalten einer modernen Gesellschaft anpassen. "Rückschritte sind keine Option."

Motivation für Breitbandanschluss

Auch die österreichischen Internetprovider haben sich immer wieder gegen derartige Pläne ausgesprochen, und das EU-Parlament hat sich ebenfalls quergestellt. Dass die Provider überhaupt derzeit so im Schussfeld stehen, ergibt sich aus der Entwicklung ihres Geschäftsbereiches: Die Aussicht auf Musikdownloads war laut Analysten und auch Provider-Werbung eine der wichtigsten Motivationen für viele, sich einen schnellen und unbegrenzten Breitbandanschluss zuzulegen. Dass man diese Art des Anschlusses nicht unbedingt dafür braucht, ein paar Dutzend Songs pro Monat um je einen Euro herunterzuladen, sondern dass nennenswerter Datenverkehr eher durch illegales Kopieren entsteht, darauf hat die Musikindustrie bald hingewiesen.

Kriminalisierung der Kunden

Doch sei das angedrohte Kappen von Internetanschlüssen, ebenso wie die Klagen, eine "Kriminalisierung der Kunden", sagte Leonhard. "Verbote haben nichts genützt, es ist Zeit für das Möglichmachen". Dazu fehle eine einfache, grenzüberschreitende Möglichkeit für Unternehmen, die notwendigen Lizenzen für den Vertrieb oder die Aufführung von Musik zu erwerben. Dies ist heute oft ein Spießrutenlauf, so Jenner, der weitere Entwicklungen behindert.

Vergleich mit Radio

Ein Vergleich, der am Sonntag oft gebracht wurde, ist das Radio: Auch für den Radioeinsatz sei es möglich gewesen, einfache Lizenzierungssysteme zu entwicklen. Dies müsse doch auch für das Internet möglich sein, so Jenner und Leonhard. Letzterer betonte: Man sehe heute erst die Spitze des Eisberges bei jenen Umwälzungen, die durch die Entwertung der einzelnen Kopie im Internet für die Zukunft der Content-Anbieter ausgelöst worden ist. Leonhard sieht in Zukunft "vier Milliarden Menschen", die Filesharing betreiben. Die gerichtlichen Schritte dagegen hätten "nicht zu mehr Einnahmen der Musikindustrie" geführt - "nur die Anwälte haben Geld bekommen".

Unfaire Vorwürfe an Musikindustrie

Dass "Verbote ergebnislos" waren, zu dieser Erkenntnis ist, zumindest laut der heutigen Diskussion, nach jahrelangen Diskussionen auch die Musikindustrie gekommen. Doch wie im Zeitalter der gratis verfügbaren Musik Geld gemacht werden kann, darüber kann man auch derzeit noch trefflich streiten. Sharkey betonte, dass die Vorwürfe an die Musikindustrie, dass diese zu langsam auf die Veränderungen durch das Internet reagiert habe, unfair seien: "Sie waren die ersten in der Schusslinie und sind auch zuerst getroffen worden", so Sharkey. Und derzeit sei es notwendig, ein funktionierendes "Ökosystem" nicht nur für Musik, sondern für verschiedene Arten von Content zu schaffen, sagte Leonhard: Denn die großen Einbußen, die jetzt im Musikbereich stattfinden, werden bald auch bei Filmen, (elektronischen) Büchern und TV-Serien folgen. (APA)