Standard: War das "Wunder vom Hudson" in erster Linie eine großartige Leistung des Piloten?

Mair: Ja, er hat das ganz ausgezeichnet gemacht. Er und die ganze Crew.

Standard: Wie oft kommen Notwasserungen vor?

Mair: Sehr selten. Und wenn, dann meist aus Spritmangel, wie das vor einigen Jahren in der Karibik der Fall war. Im November 1996 musste ein entführtes Flugzeug der äthiopischen Fluglinie vor den Komoren notwassern, weil der Treibstoff ausgegangen war. Viele der Passagiere kamen dabei ums Leben.

Standard: Wie muss man sich die Situation für den Piloten der US-Airways-Maschine vorstellen?

Mair: Ich nehme an, dass er die Vögel noch auf das Flugzeug zukommen gesehen hat. Im Steigflug kann man aber nicht ausweichen. Dann gibt es einen lauten Knall, und die Schubleistung ist weg. Und danach fällt die Stromversorgung aus.

Standard: Das heißt, es ist dunkel im Cockpit?

Mair: Ja, man hat ab diesem Moment nur Notbatterien und sieht nur noch, wie hoch und wie schnell man ist; gesteuert wird über die Nothydraulik. Dann geht es runter, und man sucht eine freie Fläche. In diesem Fall war es der Hudson River.

Standard: Werden Flugzeuge auf Notwassern hin getestet?

Mair: Nein, die Hersteller müssen nachweisen, dass das Flugzeug schwimmfähig ist. Das Wissen übers Notwassern stammt großteils aus dem Zweiten Weltkrieg - von den Piloten, die es nicht mehr auf die Flugzeugträger zurück geschafft haben. Daher weiß man, dass man immer mit den Wellen mitlanden sollte. Das ist im Hudson aber nicht das Problem.

Standard: Worauf muss der Pilot beim "Ditching" noch achten?

Mair: Man darf das Fahrwerk nicht ausfahren, muss alle Ventile nach außen schließen, damit kein Wasser eindringen kann. Das ist beim Airbus 320 mit einem einzigen Knopf möglich. Dann muss man versuchen, möglichst langsam und gerade auf dem Wasser aufzusetzen. Zeit dazu, das Ditching-Handbuch herauszuholen, hatte der Pilot wahrscheinlich nicht mehr. (Bettina Fernsebner-Kokert/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.1.2009)