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Zumindest monetär fahren die ÖBB und ihre neue Gütertochter Máv-Cargo bereits auf einer Schiene.

Foto: AP/Szandelszky

Budapest/Wien - Knapp sieben Wochen nach der Übernahme der ungarischen Güterbahn Máv Cargo durch den ÖBB-Güterverkehr Rail Cargo Austria (RCA) ist die Stimmung zwischen Mutter und Tochter getrübt. Der Grund liegt in der kaufvertraglichen Verpflichtung der RCA, in den nächsten fünf Jahren 43,5 Milliarden Forint (158 Millionen Euro) in die Ausrüstung der Máv-Cargo zu investieren.
Mit dem Geld sollen, wie berichtet, Investitionsgüter angeschafft werden, also Waggons und Lokomotiven. Laut Standard-Recherchen lief die erste Tranche 2008 so ab: Máv-Cargo bekommt vertragsgemäß ein Gesellschafterdarlehen im Volumen von 8,7 Milliarden Forint und kauft um dieses Geld, wie angekündigt, 19 Lokomotiven und 50 Containerwagen. Das allerdings nicht bei Siemens oder einem anderen Hersteller, sondern bei ÖBB-Technische Services, die wiederum zu 51 Prozent der RCA und zu 49 Prozent der ÖBB-Personenverkehr AG gehört.
Ab hier wird es richtig spannend, denn Máv Cargo verleast die (mittels RCA-Darlehen gekauften) Loks und Waggons umgehend an die ÖBB. Sie erhält dafür von ihrer Mutter wohl regelmäßig Leasing-Raten gezahlt, dieses Geld bleibt allerdings auch nicht bei ihr, denn Máv Cargo muss ja das Gesellschafterdarlehen bedienen.

Keine Freude bei den Ungarn

Dass die Ungarn dieser Geld-Kreisverkehr nicht rasend erfreut, überrascht nicht. Äußern will sich dazu bei Máv Cargo in Budapest freilich niemand. Wohl bestätigt ein Sprecher, dass RCA vertragsgemäß 8,7 Milliarden Forint überwiesen habe und dass damit 19 Loks und 50 Containerwagen angeschafft würden. Wo das Wagenmaterial gekauft und warum es an die ÖBB verleast wird, diese Antwort bleibt Balázs Krisztián auch auf Nachfrage schuldig. "Máv-Cargo generiert mit dem Investment bereits Extra-Umsätze, und man arbeitet an Plänen für die weitere Optimierung im Einsatz des neuen Wagenmaterials" , heißt es. Und: Die zweite Tranche an Investitionen werde 2009 erfolgen, sie sei bereits in Vorbereitung.
Bedeckt hält man sich mit Informationen zu der Transaktion auch bei ÖBB und Rail Cargo Austria in Wien. Eine offizielle Stellungnahme war am Donnerstag sitzungsbedingt nicht zu erhalten. Den Vorwurf, es handle sich bei der Transaktion um ein Scheingeschäft, das bei der ungarischen Tochter außer Werten in den Büchern und Abschreibungen auf die Anlagen nichts einbringt, weist man in hohen RCA-Kreisen scharf zurück.

Positive Nebenwirkungen

Die Wirtschaftskrise bringt beim Ungarn-Deal übrigens auch positive Nebenwirkungen: Durch den Verfall des Forint kosten die 43,5 Mrd. Forint nur mehr 158 Millionen Euro. Beim Kauf am 2. Dezember waren es noch 168 gewesen.
Ansonsten lässt die ÖBB finanzkrisentechnisch nichts aus: RCA beziehungsweise deren (1998 zwecks Steuerersparnis und für Cross-Border-Deals errichtete) Tochter Industriewaggon (Iwag) war einer der drei Kunden, die bei der Bank Medici Kredit nahm. Laut Bilanz der durch den mutmaßlichen US-Milliardenbetrug rund um Bernard Madoff in Turbulenzen geratenen Bank Medici lieh sich die Iwag bei Medici 1,5 Mio. Euro aus (und zahlte sie auch wieder zurück). ÖBBler erklären das als "Freundschaftsdienst" , um das für eine Vollbank notwendige Medici-Kreditgeschäft anzukurbeln. (András Szigetvari, Luise Ungerboeck, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 16.1.2009)