Wien - "Würde ein Rabbiner innerhalb der jüdischen Gemeindehäuser so sprechen, wie das dieser Imam getan hat, er wäre in dieser Sekunde seinen Job los." Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, verlangt die Suspendierung des muslimischen Predigers Adnan Ibrahim wegen dessen umstrittenen Aussagen zu Israel und der Hamas. Die islamische Glaubensgemeinschaft müsse angesichts des Gaza-Krieges stärker deeskalieren, forderte Muzicant im Ö1-"Morgenjournal" .

Keine Autorität über Ibrahim

Allerdings könnte die Glaubensgemeinschaft den Prediger gar nicht gegen dessen Willen absetzen, selbst wenn sie wollte. In der muslimischen Gemeinde gibt es keinen Klerus, der einer Autorität gehorchen müsste. Ibrahim ist ausschließlich den Betreibern der Schura-Moschee in Wien-Leopoldstadt verpflichtet, die ihn gewählt haben. Mitsprache hat die Glaubensgemeinschaft nur, wenn ein Imam aus dem Ausland geholt werden soll, der dafür einen eigenen Aufenthaltstitel braucht. In diesem Fall holen die Behörden Informationen bei den offiziellen Vertretern der Muslime ein.

Die Verantwortlichen der Schura-Moschee vom privaten Verein "Zusammenkunft der Kulturen" rücken von Ibrahim freilich nicht ab. Sie beklagen sich über "eine Art mediale Hetze" und betonen, "geschlossen" hinter ihrem Imam zu stehen. Ibrahim habe sich stets "für Werte wie friedliches Zusammenleben, Frauenrechte, Kulturaustausch und Menschenrechte starkgemacht" und "sehr oft gegen den Terrorismus und Terrorakte" ausgesprochen. Ebenso wie Omar Al-Rawi, Integrationssprecher der Glaubensgemeinschaft, bezweifeln sie das vom Standard publizierte Zitat, laut dem Israel für Ibrahim eine "Bestie" sei.

Der Standard, der sich auf die Übersetzung einer Dolmetscherin stützt, bleibt bei seiner Darstellung. Der umstrittene arabische Ausdruck lässt sich laut Langenscheidts Wörterbuch sehr wohl mit "Bestie" wiedergeben. Auch ein Blick ins Internet legt nahe, dass es sich um eine gängige Übersetzungsvariante handelt.

Unabhängig davon kündigt Al-Rawi an, mit Ibrahim ein Gespräch "über den sensiblen Gebrauch der Sprache" zu führen. Al-Rawi äußert zwar Verständnis für Emotionen des aus Gaza stammenden Imam, sagt aber: "Glücklich sind wir über die Situation auch nicht." (
Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2009)