Karim El-Gawhary:

"Alltag auf Arabisch. Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad". Wien, Kremayr & Scheriau. 226 Seiten, Euro 19,90

Die Welt in 40 Sekunden zu erzählen, Komplexes in wenigen Sätzen holzschnittartig beschreiben zu müssen, ist das Schicksal von Auslandskorrespondenten, die fürs Fernsehen arbeiten. Was dabei kaum neben der Hochpolitik zur Sprache kommt ist das Alltagsleben. Genau davon berichtet Karim El-Gawhary, seit 2004 Leiter des Nahostbüros des ORF in Kairo, in seinen "Nahaufnahmen", in Miniaturen, Aufsätzen und Kurzreportagen.

Fünfzehn Jahre umspannen El-Gawharys Schilderungen; seit 17 Jahren lebt er mit seiner Familie in Kairo. Und oft wurzeln seine Beobachtungen aus der Metropole am Nil aus seinem engsten Wohnumfeld, spielen in seiner Straße und handeln von neuen Nachbarn, die Hühner halten -, von Nervenzerfetzendem wie dem Straßenverkehr und noch Nervenzerfetzenderem wie Behördengängen oder dem Warten auf Handwerker. Aber auch von Kuriosem und Handfestem, mit dem sich die Bewohner Kairos über Wasser halten: mit einer Beleidigungs-Agentur etwa oder mit trickreichem illegalem Gemüsekleinhandel. El-Gawhary verliert aber trotz aller pittoresker Details, die das Leben in Kairo so anstrengend und zugleich aufregend lebendig machen, nicht den Blick fürs große Ganze.

So entsteht sacht, aber deutlich die aussagekräftige Skizze eines Landes und auch eines Regimes, das hier ans Pharaonische grenzt, dort ans Manipulativ-Repressive. Und dies inmitten eines von Modernisierung und Tradition in sich zerrissenen Islam. Sehr lesenswert sind seine Kriegsreportagen aus dem Libanon und dem Irak, die völlig unkriegerisch daherkommen. Auch hier konzentriert sich El-Gawhary auf Menschen und Schicksale, vermeidet alles Sensationalistische und voreilig Urteilende. So gelingt ihm am Beispiel der Lebensgeschichte der befreundeten, 2006 nach Kairo emigrierten Bagdader Familie Radwan, die er über Jahre begleitete, eine berührende Schilderung verflogener individueller Hoffnungen und eines Landes bar jeder Hoffnung. ( Alexander Kluy/DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2009)