Andy Marek: "Bei Rapid betreiben wir Kommerz gegen den Kommerz."

Foto: Simon Hirt/derStandarda.at

Wien – Andy Marek hat das heutige Gesicht des SK Rapid mitgeformt, er gründete 1998 das Klubservice, forcierte die Fanbindung und mitbestimmte den Marketing-Weg in die Zukunft. Der Stadionsprecher sieht ein "Gesamtkunstwerk" Rapid, bei dem stets darauf geachtet wird, dass Traditionen und Werte des Klubs nicht auf der Strecke bleiben. "Kommerz gegen den Kommerz", so die Parole, die sich die Hütteldorfer auf ihre grün-weißen Fahnen geschrieben haben.

derStandard.at: Der SK Rapid genießt in Österreich einen besonderen Status. Was macht den Reiz aus?

Andy Marek: Rapid hebt sich ab, von der Geschichte als Arbeiterverein bis zu unserer Positionierung im modernen Fußball. Wir sind in Österreich der einzige eigenständige Verein und werden uns auch in Zukunft nicht verkaufen. In Hütteldorf werden die Traditionen immer so weit wie möglich hoch gehalten. Bei Rapid läuft alles noch menschlicher ab, wir sind nicht bloß eine Maschinerie wie andere Fußballvereine.

derStandard.at: Ist das Beharren des SK Rapid auf dessen Traditionen und Werten, nicht auch als eigene Marketing-Strategie zu sehen?

Andy Marek: Es ist ein Kommerz gegen den Kommerz. Wir können uns nicht vor der wirtschaftlichen Realität im Fußball verstecken. Das Geld, das ein Mäzen in seinen Verein pumpt, müssen wir woanders herbekommen. Trotzdem versuchen wir immer unserer Linie treu zu bleiben und uns nicht für Geld aufzugeben. Wenn man so will, betreiben wir den ehrlicheren Kommerz.

derStandard.at: Ist die Rapid von heute ein Kunstprodukt des modernen Fußballs?

Andy Marek: Rapid ist kein Kunstprodukt, sondern ein Gesamtkunstwerk und ein Phänomen in der kommerzialisierten Welt des Fußballs. So etwas ist nur möglich, solange Verein, Fans und Sponsoren einen gemeinsamen Weg gehen.

derStandard.at: Wäre ein derartiges Zusammenspiel auch bei einem anderen Verein möglich?

Andy Marek: Nicht so leicht. Bei Rapid war es möglich auf Stützen wie den Status des Rekordmeisters, 110-Jahre Tradition und den größten Anhang Österreichs zurückzugreifen. Aber auch die Austria oder Salzburg vor Mateschitz sind durchaus Vereine mit viel Tradition, nur wurde diese dort mit Füßen getreten. St. Pauli hat sich in Deutschland mit ähnlichen Strategien einen Kultstatus aufgebaut, wie wir das in Österreich geschafft haben.

derStandard.at: Hat Andy Marek der Rapid von heute sein Gesicht gegeben?

Andy Marek: Ich war mit dabei, als wir aus der gesichtslosen Rapid der 90er Jahre das gemacht haben, was sie heute ist. Ohne einen Präsidenten Edlinger und einen Manager Kuhn wäre dieser Wandel aber nicht möglich gewesen. Der heutige Rapid-Mythos ist mit Sicherheit mehr Wert als ein paar Millionen Euro von irgendeinem Mäzen. Wir wollen in Hütteldorf keinen Gönner, der Geld in den Verein steckt und dafür anschafft.

derStandard.at: Woher rührt das Spiel mit der Religion in Hütteldorf?

Andy Marek: Rapid ist für viele Menschen nicht nur Faszination, sondern eine Art Lebenspartner, eine Liebe und für manche wahrscheinlich wirklich ihre Religion. Am Wochenende gehen wir statt in die Kirche ins St. Hanappi, dort zelebrieren wir unsere Messe.

derStandard.at: Wer hat das Hanappi Stadion eigentlich heilig gesprochen?

Andy Marek: Diese Weihung ist nicht aus einem Glaubensbekenntnis heraus entstanden, sondern aus einer Aussage Josef Hickersbergers. Der gemeint hat: "Dieses Stadion ist wie eine Kathedrale, hier gewinnt niemand außer Rapid."

derStandard.at: Sind Sie der Prediger von St. Hanappi?

Andy Marek: Ich bin nur ein Ministrant. Im St. Hanappi gibt es viele andere Prediger, am Spielfeld und auf der Betreuerbank stehen die Hauptdarsteller.

derStandard.at: Verstehen Sie den Vergleich des SK Rapid mit einer Droge?

Andy Marek: In einem gewissen Sinn ist Rapid eine Droge. Wenn du einmal dabei bist, wenn du einmal zu der Rapid-Familie dazugehörst, kommst du davon nicht mehr los.

derStandard.at: Sie sprechen gerne von der so genannten "Rapid-Familie" – was für Gefühle möchten Sie damit bei den Anhängern wecken?

Andy Marek: In einer Familie gibt es Regeln und Hierarchien, nach denen sich alle Familienmitglieder richten müssen, so auch bei uns. Man kann sich nicht immer nur das Schöne aussuchen, auch in schlechten Zeiten oder bei Problemen muss man zusammen stehen.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Fußball-Fans auf der Suche nach einer Ersatz-Familie sind?

Andy Marek: Bei uns schon. Das sind aber nicht nur Personen, die keine eigene Familie haben, bei uns können auch mehrere Familien nebeneinander existieren.

derStandard.at: Bietet die angesprochene "Rapid-Familie" eine Art "Second-Life", ein „Zweites Leben" an den Wochenenden?

Andy Marek: Ja, aber ich denke nicht, dass man dieses Rapid-Leben nur am Wochenende lebt, sondern immer. Die Menschen, die zu uns ins Stadion kommen, kommen ja nicht wegen irgendwelchen Gegnern oder Spielern, da geht es nur um das Gemeinschaftserlebnis Rapid.

derStandard.at: Springen Sie bei Problemen als Familientherapeut ein?

Andy Marek: Ich würde mich eher als Bruder- oder bei jüngeren Fans als Vaterfigur, denn als Therapeut bezeichnen.

derStandard.at: Sie haben sich oft als Schutzschild vor die Anhänger gestellt, haben Sie Verständnis für Fans die ihre Leidenschaft für Rapid mit Gewalt ausdrücken?

Andy Marek: Nein, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Aber es ist meine Aufgabe und Pflicht, dass ich mich vor meine Familie stelle und die Probleme intern anspreche.

derStandard.at: Sind die Fans auf der West aus wirtschaftlicher Sicht das soziale Beiwagerl des Vereins, dass von den Besitzern der teuren Abos mitfinanziert wird, oder die eigentliche Hauptattraktion des SK Rapid?

Andy Marek: Die West-Tribüne ist sicher kein Beiwagerl, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Faszination Rapid. Die wirtschaftliche Perspektive rückt in Anbetracht der Unterstützung, die jedes Mal von der West ausgeht in den Hintergrund.

derStandard.at: Die West-Tribüne platzt aus allen Nähten – wann wird das "grün-weiße Haus" ausgebaut?

Andy Marek: Es gibt Pläne das Stadion auszubauen, aber aufgrund der Statik des Hanappi ist jeder Eingriff ein Risiko. Trotzdem werden wir versuchen auf längere Sicht einen Stadionausbau zu verwirklichen.

derStandard.at: 1984 haben Sie Vera Russwurm bei der Österreich-Vorausscheidung zum Song Contest den Kopf verdreht. Hat Rapid eine Karriere als Schlagersänger verhindert?

Andy Marek: Mein Auftritt war für den damaligen Zeitgeist schon sehr OK. Ich war bei den Altenburger-Sängerknaben und habe auch fünf Singles und eine LP aufgenommen. (Simon Hirt, derStandard.at, 14. Jänner 2009)