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Was braucht die Frau? Die Werbung glaubt, die Antwort zu wissen - und präsentiert nicht selten Klischees wie rosarote Autos für Frauen.

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Wie das gelingen soll und was sich bei diesem Thema an Unis ändern muss, sagte sie Peter Illetschko.

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STANDARD: Die Fraunhofer-Gesellschaft, bei der Sie tätig sind, gilt in Sachen Gender Mainstreaming als Pionier in der internationalen Forschungsszene. Wodurch entstand dieser Ruf?
Schraudner: Die Fraunhofer-Gesellschaft hat etwa 13.000 Mitarbeiter - überwiegend Männer. Den Grund kennt man: In Deutschland liegt der Anteil der Frauen, die ein ingenieurwissenschaftliches Fach abschließen, lediglich bei elf Prozent. Da müssen wir gegensteuern. Zum Beispiel, indem wir in die Schulen gehen und mit Programmen Burschen und Mädchen gleichermaßen unterstützen, ihr Talent für die Forschung zu entdecken. Wir begleiten sie dabei über die Schule hinaus bis zum Studienbeginn und unterstützen sie auch bei der Entscheidung für ein Fach. 50 Prozent der Teilnehmenden sind weiblich. Das ist unsere Vorgabe, aber keine erzwungene Quote. Die Mädchen nehmen das Programm sehr gerne an und schließen es dann auch ab.

STANDARD: Was hat es bisher gebracht?
Schraudner: Wir konnten den Anteil der Wissenschafterinnen in der Fraunhofer-Gesellschaft steigern und liegen derzeit bei etwa 18 Prozent. Natürlich nicht allein durch dieses Programm. Das ist zwar nicht viel, aber wenn man bedenkt, dass wir 1988 erst bei knapp über vier Prozent lagen, kann sich das schon sehen lassen. Das kann es aber natürlich noch nicht gewesen sein. Wir versuchen auf einer zweiten Ebene, auch das Genderthema selbst in Forschung und Entwicklung zu bringen.

STANDARD: Was kann man sich darunter vorstellen?
Schraudner: Wir analysieren, wie Frauen an Technik herangehen. Es geht darum, festgefahrene Meinungen zu relativieren. Eine davon ist: Frauen um die 40 lassen sich Zeit, sich mit neuer Technik anzufreunden. Nur stimmt es nicht immer. Bei der Nutzung von Handy und SMS waren Frauen die ersten. Einen Kühlschrank, der per SMS eine Einkaufsliste verschickt, wollen sie gar nicht, nicht einmal später - ganz im Gegensatz zu den Hoffnungen auf mancher IT-Messe. Das ist eindeutig ein Männertraum.

STANDARD: Braucht die Technologieentwicklung daher mehr weibliche Innovationskraft?
Schraudner: Es sieht so aus. Frühe Spracherkennungssysteme haben keine weiblichen Stimmen erkannt. Wären mehr Frauen bei der Technologieentwicklung dabei gewesen, wäre das vermutlich nicht passiert. Es gilt aber auch alte Denkmuster zu überwinden: Denken sie an den Kinderwagen mit dem McLaren-Logo: Gewissermaßen die Formel 1 der Baby-Kutschen. Und tatsächlich haben vor allem die jungen Väter davon geschwärmt. Die technischen Details sind für beide Elternteile praktisch. Die Beispiele sollen zeigen, dass es mehr Ideen und Ansätze gibt, wenn die Entwicklung von neuen Technologien nicht nur von einer sehr homogenen Gruppe Menschen, im allgemeinen weiße junge Männer, vorangetrieben wird. Und das gilt auch für die Planung von Forschungsprojekten, die sich ja häufig auf eine mögliche Anwendung beziehen. Durch die Präferenzen, Erfahrungen und Wertvorstellungen von Frauen können ganz neue Anwendungsfelder für Technologien oder auch Anforderungen für Technologieneuentwicklungen in die Forschung kommen.

STANDARD: Inwieweit spielt die Werbung eine Rolle bei Technologieentwicklungen?
Schraudner:
Denken Sie an die technik-affinen Inserate in Frauenzeitschriften: Handys, Küchengeräte und rosa Kleinwagen. Ich glaube nicht, dass das der Traum aller Frauen ist. Man muss sich genauer anschauen, wen die Technik ansprechen soll. Nach dem Konzept des Diversity Managements sollten vermehrt Frauen in den Innovationsprozess integriert werden. Das funktioniert in Deutschland und Österreich schlecht. Die skandinavischen Länder und die USA weisen deutlich höhere Frauenanteile auf.

STANDARD: Ursachenforschung wird häufig betrieben. Haben Sie auch eine Erklärung parat?
Schraudner: Keine neue. Es hat viel mit der gesellschaftlichen Anerkennung der Frau als Forscherin oder Erfinderin und noch mehr mit der Akzeptanz von "Frauen mit eigenem Beruf und Familie" zu tun. Vielleicht ist das in Skandinavien ja besser, weil man eine Quotenregelung eingeführt hat.

STANDARD: Würden Sie sich diese Quotenregelung auch in der universitären Forschung wünschen?
Schraudner: Das ist eine große Diskussion. Die Mehrheit der Wissenschafterinnen will jedenfalls qualitative Kriterien. Das heißt: Ein Projekt soll gefördert werden, weil es gut ist, nicht weil die Antragstellerin eine Frau ist. Genau das gleiche gilt bei Positionen in der Wissenschaft. Keine Frau will Professorin werden, weil es einmal an der Zeit ist, dass eine Frau zum Zug kommt. Dennoch muss Gleichstellung manchmal mit Nachdruck eingefordert werden. In der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft evaluierten Exzellenzinitiative wurden Konzepte eingereicht, in denen laut Experten- und Expertinnenmeinung viel zu wenig Gewicht auf Chancengleichheitsmaßnahmen gelegt wurde. In der nächsten Ausschreibung wird das eine noch größere Rolle spielen.

STANDARD: Wie reagiert man an den Unis auf diese Forderung?
Schraudner:
Die Evaluierung des Exzellenzwettbewerbs zeigt, dass manche deutschen Professoren von einer Modeerscheinung ausgehen. Die deutschen Professorinnen sehen das anders. Sie sagen: Wir wollen keine Quote, man sollte aber versuchen, sicherzustellen, dass Frauen bei Berufungen nicht benachteiligt werden.

STANDARD: Eine Wunschvorstellung. Gibt es realisierbare Umsetzungsideen?
Schraudner:
Wichtig ist, darauf zu achten, wer in Entscheidungsgremien sitzt. Anonym eingereichte Arbeiten, bei denen man nicht anhand des Namens erkennen kann, ob sie von Frauen oder Männern geschrieben wurden, könnten objektiver beurteilt werden. Der Text soll unabhängig vom Geschlecht der Einreichenden überzeugen. Ich bin optimistisch, dass sich da einiges ändert; auch, weil ich erstmals gebeten wurde, eine Arbeit anonym einzureichen. (Peter Illetschko/STANDARD,Printausgabe, 14.1.2009)