Damaskus - Der Exil-Chef der palästinensischen Hamas, Khaled Mashaal, ist für seine feurigen Reden bekannt. Nun bezeichnete er Israels Militäroffensive im Gazastreifen in einer von mehreren arabischen Fernsehsendern übertragenen Rede als "Holocaust". Das Blut des palästinensischen Volkes werde nur deshalb vergossen, damit sich die Aussichten der israelischen Führung bei der Parlamentswahl im Februar verbesserten, sagte Mashaal. Im Februar vorigen Jahres hatte Israels stellvertretender Verteidigungsminister Matan Vilnai den Palästinensern mit einer Shoah gedroht. "Wenn sie noch mehr Raketen abschießen, bringen sie sich in die Gefahr einer größeren Shoah, weil wir alles in unserer Macht Stehende tun, um uns zu verteidigen", hatte Vilnai im israelischen Militärrundfunk gewarnt.

Seit dem Beginn der israelischen Militäroffensive gegen die Hamas meldet sich der im Exil in Damaskus lebende Mashaal regelmäßig zu Wort. Bisher habe die israelische Armee keines ihrer Ziele erreicht, sondern den palästinensischen Widerstand nur gestärkt, sagt er. Als eine der Bedingungen für einen Waffenstillstand fordert er das "sofortige Ende der israelischen Aggression" und die Aufhebung der Gaza-Blockade. Mashaal hatte den USA und Israel vorgeworfen, eine Versöhnung zwischen seiner Organisation und der Fatah von Präsident Mahmoud Abbas zu verhindern.

Der israelische Geheimdienst Mossad hatte 1997 versucht, Mashaal in Jordanien mittels einer Giftspritze zu "liquidieren". Die Aktion endete mit einem Fiasko: Zwei mit gefälschten kanadischen Pässen ausgestattete Agenten wurden nach dem Fehlschlag des Vorhabens in Amman von den jordanischen Behörden festgenommen. Israel musste ein Gegengift liefern, Kanada protestierte, und der damalige jordanische König Hussein machte die Freilassung der Mossad-Männer von jener des inhaftierten Hamas-Gründers Scheich Ahmed Yassin durch Israel abhängig. Yassin wurde 2004 in Gaza von der israelischen Armee "gezielt getötet".

1999 wurde Mashaal mit anderen Hamas-Führern von den jordanischen Behörden wegen "illegaler Aktivitäten" des Landes verwiesen, er ging daraufhin nach Katar. Auch in seinem jetzigen syrischen Exil kann sich der Chef des Politischen Büros der Hamas nicht sicher fühlen. Israelische Minister drohten ihm wiederholt, er werde so enden wie der Hamas-Gründer.

Bis Mashaal die Nachfolge Scheich Yassins an der Spitze der Hamas, der 1987 als Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft entstandenen "Bewegung des Islamischen Widerstandes", antrat, war es ein weiter Weg. 1956 in Ramallah geboren, floh Mashaal nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 mit seinen Eltern aus dem Westjordanland nach Kuwait, wo er Physik studierte und mit der fundamentalistischen Auslegung des Islam vertraut wurde. 1987 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Hamas. Der verheiratete Vater von drei Töchtern und vier Söhnen gilt als begabter Redner. Der Beifall der Hamas-Basis ist ihm sicher, wenn er wie kurz nach dem Beginn der israelischen Luftangriffe im Dezember 2008 von der "dritten Intifada zur Befreiung des gesamten palästinensischen Landes" spricht.

Allerdings wies Mashaal auch wiederholt darauf hin, dass Gewalt kein Selbstzweck sei. So dürfte er seinen Teil dazu beigetragen haben, dass die Hamas im Juni 2006 erstmals implizit Israels Existenzrecht anerkannte. Die Organisation gab damals unter dem Druck von Präsident Mahmoud Abbas ihre Zustimmung zu einem Plan, der die Schaffung eines palästinensischen Staates im Gazastreifen und im Westjordanland vorsieht - also die Zwei-Staaten-Lösung festschreiben würde.

Die Erzählungen seines Vaters vom Kampf gegen die britische Mandatsherrschaft in Palästina vor der Staatsgründung Israels begleiteten Mashaal nach dessen Aussage die gesamte Kindheit lang - und prägen sein politisches Weltbild bis heute. Als Abbas am vergangenen Samstag nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak vorschlug, eine internationale Schutzmacht in dem von der Hamas seit Mitte 2007 allein kontrollierten Gazastreifen zu stationieren, lehnte Mashaal dies umgehend als "Besatzung" ab. (Von Roueida Mabardi/AFP)