Nein, rauchende Colts wurden noch nicht gesichtet. Dennoch durchweht den Gasstreit zwischen Ukraine und Russland ein Hauch von Wildwest-Manier. Kiew und Moskau gebärden sich wie Banditen auf der Suche nach dem Schatz im Silbersee. Leider können die EU-Chefs José Manuel Barroso und Mirek Topolánek mit Winnetou und Old Shatterhand nicht mithalten, also nimmt das Unheil auf dem Rücken der europäischen Verbraucher seinen Lauf.

Ähnlich schlecht wie die Karl-May-Verfilmung ist die Regie in der aktuellen Gaskrise. Die EU-Helden lassen sich nun schon täglich düpieren. Kaum wird die Friedenspfeife angezündet, sind die Vereinbarungen schon wieder obsolet. Einmal fügt die Ukraine noch schnell einen handschriftlichen Zusatz unter den Vertrag, dann bezichtigen die Russen Kiew des Diebstahls und Washington der Konspiration. Und als das Gas am Dienstag für kurze Zeit endlich wieder geflossen war, blockierte die Ukraine die Lieferungen, weil ihr die Transportroute nicht behagte.

Dass Kiew den entsandten EU-Beobachtern den Zugang zu wichtigen Verteilerstationen verwehrte, passte ins Bild. Das Land ist praktisch pleite und nicht in der Lage, höhere Gasrechnungen zu bezahlen. Um die Realität - nebst der finanziellen Situation auch die zweifelhaften Geldflüsse der Zwischenhändler - zu kaschieren, scheint der Konflikt mit Russland künstlich prolongiert zu werden. Und Brüssel? Hat im Wilden Osten mit Diplomatie keinen Auftrag und sollte endlich einen Warnschuss mit dem Bärentöter abgeben. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2009)