Die Direktverbindung von Wien-Mitte zum Flughafen Schwechat ist derzeit schwer zu finden

DER STANDARD/ Robert Newald

Bis 2011 sollten ursprünglich alle Umwege beseitigt sein, doch laut Bauträger ist der neue Bahnhof nicht vor Mitte 2012 fertig

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Wien - Bei Schlechtwetter stehen die Chancen, sich auf der Baustelle Bahnhof Wien-Mitte nicht zu verlaufen, gar nicht mal so schlecht. Denn um das Gesicht vor Schnee, Regen und Wind zu schützen, starrt man an unwirtlichen Wintertagen ohnehin die meiste Zeit auf den Boden vor sich - und stößt dabei auf nützliche Bodenmarkierungen, die den schnellsten Weg zu U-, Schnellbahn und City Airport Train (CAT) weisen.

Umgehung eine Frechheit

Wobei schnell in diesem Fall relativ ist. Denn seit der Bahnhof zwischen Vorderer Zollamts- und Invalidenstraße bei vollem U- und Schnellbahn-Betrieb umgebaut wird, kommt man um großräumige Umgehungen nicht umhin. "Das ist schon eine ziemlich Frechheit", schnaubt etwa Eva Stubbe, die mit Koffer in der einen, Hundetragtasche samt Hund in der anderen Hand in Richtung CAT stapft.

Touristen überfordert

Mehrmals im Monat besucht die in Düsseldorf lebende Wienerin per Flugzeug ihre alte Heimatstadt. Um das Gepäck nicht selbst nach Schwechat befördern zu müssen, checkt sie es bereits in Wien-Mitte beim CAT-Schalter ein und steigt dann in den grün-schwarzen Direktzug. "Dass man das nicht besser lösen kann und die Leute von der U-Bahn über die ganze Baustelle bis zum CAT im hintersten Winkerl schickt, ist schon ein Wahnsinn", sagt die Germanistin. Dabei ist Stubbe gegenüber den zahlreichen Touristen, die in Landstraße erstmals Wiener Boden betreten, eindeutig im Heimvorteil. Wien-Neulinge überfordert die provisorische Wegführung um mehrere Gebäude zum Teil gänzlich. "Mein Kollege fragt gerade beim CAT-Infoschalter nach einem Taxi", sagt ein Geschäftsreisender aus Taiwan "keine Ahnung, wo man hier zur U-Bahn kommt."

Entnervte Anrainer

Ursprünglich sollte Wiens komplexeste innerstädtische Baustelle Mitte 2011 Geschichte sein. Dass der 400 Millionen teure neue Bahnhof bis dahin fertig ist, ist laut Thomas Jakoubek, Geschäftsführer des Bauträger BAI allerdings sehr unwahrscheinlich. "Der Untergrund ist in einem wesentlich schlechteren Zustand als angenommen. Wir werden nicht vor Mitte 2012 fertig sein." Die Mehrkosten seien noch nicht abschätzbar "Sie werden aber voraussichtlich einen einstelligen Millionenbetrag nicht überschreiten."

Lärm

Gehackelt wird in Wien-Mitte derzeit Tag und Nacht - was wiederum zu blanken Nerven in der Nachbarschaft führt. "An Schlaf ist eigentlich seit September nicht mehr wirklich zu denken", sagt etwa Anrainer Helmut Hoffmann. Derzeit ist das Fundament für den vergrößerten Bahnhof in Arbeit. "Es hört sich an wie ein Bombenangriff, das ganze Haus vibriert", sagt Hoffmann.

Die Nachtarbeiten sind laut Bauträger notwendig, um den Zugverkehr untertags aufrechterhalten zu können. "Sonst hätten wir den U-Bahn-Betrieb für ein paar Wochen einstellen müssen, und das wäre noch unangenehmer gewesen", sagt Jakoubek. Laut Gesetz dürfen nachts nur jene Arbeiten erledigt werden, für die die U-Bahn stillstehen muss. Alles andere soll bei Tag gemacht werden. "Wir bezweifeln, dass das auch wirklich so ist", sagt Hoffmann, der gemeinsam mit einigen Nachbarn um mehr Lärmschutz kämpft.

Arbeiten in der Nacht

"Es werden nachts auch Arbeiten erledigt, die nichts mit der U-Bahn zu tun haben, um Kosten zu sparen", ist Hoffmann überzeugt. Die entnervten Anrainer wollen eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft einbringen.

"Das ist einfach eine primitive Trickserei auf unsere Kosten, und die Behörden decken das auch noch", sagt der Anrainer. Dass nachts mehr gemacht wird als notwendig, bestreitet Jakoubek. "Das käme uns nicht billiger, sondern teurer." Um die Anrainer nicht gänzlich zu vergraulen, verhandelt man derzeit allerdings bezüglich finanzieller Entschädigungen. (Martina Stemmer, DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2009)