London - Es klingt aufs Erste so seriös wie Handlesen oder wie ein wissenschaftlicher Scherz. Und doch handelt es sich um ernsthafte Forschung, publiziert in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften. Die neueste Erkenntnis aus der Fingerlängenforschung wurde heute in der heutigen Ausgabe des renommierten US-Fachblatts PNAS veröffentlicht: Männliche Börsianer sind umso erfolgreicher im Job, je länger ihr rechter Ringfinger ist.

Im Wissenschafterjargon heißt die Zauberformel schlicht 2D:4D und verweist konkret auf das Verhältnis der Länge des Zeigefingers (zweiter Finger bzw. 2nd digit) zum Ringfinger (vierter Finger) der rechten Hand.

Entdeckt wurde sie vor genau zehn Jahren vom britischen Anthropologen John Manning. Er fand heraus, dass die Spermienproduktion bei Männern mit der Länge des Ringfingers positiv korrelierte.

Der Anthropologe konnte auch eine Ursache für den Zusammenhang nennen: vorgeburtliche Sexualhormone, die während der Schwangerschaft das Wachstum des männlichen Fötus, seiner Finger und seiner Keimdrüsen beeinflussen. Kurz: Je mehr Androgene (also männliche Sexualhormone wie Testosteron) im Mutterleib, desto längere Ringfinger. Die Androgene wirken sich aber womöglich auch auf die spätere Hirnentwicklung aus.

Tatsächlich brachten einige 2D:4D-Studien in den vergangenen Jahren erstaunliche Ergebnisse. Gut belegt ist der Zusammenhang von Fingerlängen und sportlicher Leistungsfähigkeit. Hier können Fingerlängen immerhin 20 bis 30 Prozent der jeweiligen Leistung "erklären". Geringer scheint der Zusammenhang bei Persönlichkeitsmerkmalen. Einige Kritiker meinen indes nach wie vor, dass die Beweise für 2D:4D und die Hormon-Dosis zu gering seien.

Der jüngste Beleg für die These stammt vom Londoner Börsenparkett. Forscher rund um John Coates von der Universität Cambridge haben die Finger der rechten Hand von 49 männlichen Börsenhändlern in London gemessen, die besonders schnell kaufen und verkaufen müssen, und danach auf ihren Erfolg geschlossen.

Bei Vergleichen der Gewinn und Verlust dieser sogenannten "high-frequency trader" in den vergangenen 20 Monaten zeigte sich tatsächlich, dass ein - im Vergleich zum Zeigefinger - längerer Ringfinger einen höheren längerfristigen Erfolg ebenso voraussagte wie eine längere Verweildauer im Job.

Die Forscher gehen in der Analyse des erstaunlichen Zusammenhangs davon aus, dass sich die vorgeburtliche Androgen-Dosis neben der Fingerlänge auch auf die Reaktionsschnelligkeit auswirken würde. Da der Job dieser Börsenhändler rasche Entscheidungen erfordere, hätten bestimmte Männer biologische Startvorteile. Finanzmärkte sollten sich also bei ihrer Mitarbeiterauswahl, so die Forscher abschließend, eher an dieses biologische Merkmal halten als an "rationale Erwartungen". (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 13. 1. 2009)