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Israelische Reservisten bereiten sich auf ihren Einsatz im Gazastreifen vor.

Foto: EPA/Pavel Wolberg

Tel Aviv/Gaza/Kairo - Am siebzehnten Tag seiner Gaza-Militäroffensive hat Israel seine Angriffe in dem von der radikalen Hamas beherrschten palästinensischen Gebiet fortgesetzt. Ein israelischer Armeesprecher sagte am Montagmorgen, mit zwölf Angriffen der Luftwaffe seit Mitternacht seien weniger Ziele beschossen worden als in den Tagen zuvor. Es habe in mehreren Fällen Gefechte von Bodentruppen mit bewaffneten Palästinensern gegeben. Die Luftwaffe habe erneut Tunnels im Grenzgebiet zu Ägypten und Waffenlager beschossen. Es seien bisher keine neuen Raketen aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet abgefeuert worden, sagte der Sprecher.

Am 17. Tag des Konflikts stieg die Zahl der Toten auf palästinensischer Seite auf 905, wie Mediziner berichteten. Zudem kamen seit Beginn des Waffengangs 13 Israelis ums Leben, drei von ihnen durch Hamas-Raketen.

Kämpfe rund um Gaza-Stadt

Die Kämpfe konzentrierten sich am Montag auf Gebiete nördlich und östlich von Gaza-Stadt. Einwohner beschrieben die Auseinandersetzung als äußerst heftig. Die israelischen Streitkräfte teilten mit, dass erstmals auch Reservisten eingesetzt worden seien. Die Luftwaffe habe zehn Angriffe gegen Hamas-Aktivisten, Waffenlager, Abschussrampen für Raketen und einen Schmuggler-Tunnel im 14 Kilometer langen Grenzgebiet zu Ägypten geflogen, erklärte ein Sprecher. Aus dem Gazastreifen seien auch wieder Raketen auf Israel gefeuert worden, ohne jemanden zu verletzen.

Tunnelsystem

Durch das wiederholt angegriffene Tunnel-System läuft nicht nur der Warenverkehr zwischen dem weitgehend von der Außenwelt abgeschnittenen Gazastreifen und Ägypten, sondern auch der Waffen-Nachschub für die Hamas. Westlichen Diplomaten zufolge könnte Israel versuchen, wieder die Kontrolle über den sogenannten Philadelphi-Korridor zu übernehmen, der entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten verläuft. Israel hat den Korridor wiederholt aus der Luft angegriffen, um die Tunnel zu zerstören.

Reservisten entsandt

Am Sonntag hatte Israel erstmals seit Beginn des Einsatzes von Bodentruppen Reservisten in das Kampfgebiet geschickt. Israel will die Offensive ausweiten, sollte es bei Verhandlungen in Ägypten zu keiner Einigung über eine Waffenruhe kommen. Israel will nach den Worten von Außenministerin Tzipi Livni den Zeitpunkt für eine Waffenruhe im Gazastreifen selbst bestimmen. Livni sagte dem israelischen Rundfunk am Montag: "Ich akzeptiere nicht, dass die Vereinten Nationen bei einem Krieg gegen den Terror entscheiden, wann er beendet wird." Sie habe auch nicht den Eindruck, dass die internationale Gemeinschaft erwarte, dass die Forderung nach einer Waffenruhe unverzüglich umgesetzt werde. Die Außenministerin wollte sich nicht dazu äußern, ob die Gaza-Offensive vor dem Abschluss stehe. Sie sehe Fortschritte bei den in Ägypten geführten Gesprächen über eine Waffenruhe, es gebe jedoch noch einige Probleme.

Konflikt in Israel über Ende der Offensive

Israels Außenministerin Zipi Livni sagte dem Armee-Rundfunk, das militärische Vorgehen habe "Israels Abschreckung widerhergestellt". Wann die Kämpfe eingestellt würden, ließ sie offen. In politischen Kreisen hieß es, Livni und Verteidigungsminister Ehud Barak wollten die Offensive so bald wie möglich beenden. Ministerpräsident Ehud Olmert sei jedoch dagegen und wolle sich für seine Haltung Unterstützung im Kabinett holen, wo er auf eine Mehrheit hoffen könne.

Die ägyptische Nachrichtenagentur MENA berichtete unter Berufung auf offizielle Kreise, die Gespräche des ägyptischen Geheimdienstchefs Omar Suleiman mit Hamas-Vertretern am Sonntag über eine Waffenruhe seien positiv verlaufen. Am Montag seien in Kairo weitere Verhandlungen mit einer Hamas-Delegation geplant.

Iran: Schiff mit Hilfsgütern sei unterwegs

Der Iran teilte unterdessen mit, ein iranisches Schiff mit Hilfsgütern sei auf dem Weg in den Gazastreifen. Das Außenministerium in Teheran ließ offen, wie die Lieferung den Küstenstreifen erreichen soll. Israel wirft dem Iran vor, die Hamas mit Waffen zu beliefern.

Bereits am 30. Dezember 2008 hatte die israelische Marine ein anderes Boot der internationalen Friedensorganisation gerammt und es damit daran gehindert, medizinische Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen.

Die US-Menschenrechtsorganisation hatte seit August und bis zum Ausbruch der neuen Krise in Gaza fünf Fahrten mit Hilfslieferungen nach Gaza organisiert. Die israelische Marine hatte bis Ende Dezember die Schiffe passieren lassen.

Ägypten optimistisch

Die ägyptische Regierung hat nach eigenen Angaben erste Fortschritte bei ihren Gaza-Waffenruhegesprächen mit der palästinensischen Organisation Hamas erzielt. Die staatliche Nachrichtenagentur MENA meldete am Montag unter Berufung auf einen Regierungsbeamten in Kairo, ein Treffen der Hamas-Delegation mit dem ägyptischen Geheimdienstchef General Omar Suleiman am Vortag sei "positiv" verlaufen. Suleiman habe den Palästinensern die Eckpunkte des von Präsident Hosni Mubarak im Einvernehmen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy formulierten Vorschlages erläutert, der die Einstellung der Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hamas zum Ziel hat. Die Gespräche zwischen General Suleiman und der von Imad al-Alami geleiteten Hamas-Delegation sollen am Montag fortgesetzt werden.

Der ägyptisch-französische Vorschlag sieht vor: Eine sofortige Feuerpause, eine neue Waffenruhevereinbarung, Sicherung der Grenzen (gemeint ist der Sicherheitsanspruch Israels und die Waffentunnelschließung), Öffnung der Übergänge zum Gazastreifen und Aufhebung der Blockade, sowie innerpalästinensische Versöhnungsgespräche über die Bildung einer Einheitsregierung. Der israelische Bevollmächtigte Amos Gilad hat seine Reise nach Kairo unterdessen um einen Tag verschoben.

Blair sieht "Elemente für Feuerpause vorhanden"

Der Sondergesandte des sogenannten Nahost-Quartetts aus USA, Vereinten Nationen, EU und Russland, der britische Ex-Premierminister Tony Blair, hält eine Feuerpause zwischen Israel und der palästinensischen Hamas im Gazastreifen für möglich. Die "Elemente für eine Vereinbarung sind vorhanden", sagte er am Montag in Kairo nach Gesprächen mit dem ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak. Jeglicher Plan zur Beendigung der Kämpfe müsse einen Stopp des Waffenschmuggels an die Hamas und eine Öffnung der Grenze zum blockierten Gazastreifen enthalten, erklärte Blair.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich zuversichtlich gezeigt, dass ein Stopp der Kämpfe im Gazastreifen bald erreicht werden könne. Er sei überzeugt, dass eine humanitäre Waffenruhe den Weg für einen Einstieg in einen dauerhaften Waffenstillstand öffnen könne, sagte der Minister am Montag nach Beendigung seiner Nahost-Reise auf dem Rückflug von Israel nach Berlin. Mit der Ägypten angebotenen Hilfe könne der Waffenschmuggel in den Gazastreifen besser bekämpft werden.

Israel hatte am Freitag die Forderung des UNO-Sicherheitsrates nach einer sofortigen Waffenruhe im Gazastreifen zurückgewiesen. Die völkerrechtlich bindende Resolution 1860 war in New York von 14 Ratsmitgliedern bei Stimmenthaltung der USA verabschiedet worden. In der Entschließung des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen wurde Israel aufgefordert, sich vollständig aus dem Palästinensergebiet zurückzuziehen. Zudem müssten dort Bedingungen geschaffen werden, um den Waffenschmuggel zu unterbinden und die Grenzübergänge wieder zu öffnen. (APA/dpa/AFP)