Auf ihn mit Gebrüll! Agent Jack Bauer (Kiefer Sutherland, re.) schlägt ab 12. Jänner in der Actionserie "24" wieder gern zu.

Foto: Premiere

Premiere zeigt die vierte Staffel zeitgleich mit dem US-Sender Fox.

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Wien - Die Marketingstrategie vor der siebenten Staffel der Actionserie "24" ist raffiniert: 20th Century Fox ist geizig mit Vorabinformationen, DVDs werden gar nicht verschickt. Nur ausgesuchte Medien - darunter DER STANDARD - bekommen Zugangsdaten zur Ansicht der ersten vier der neuen Folgen im Internet. Die Geheimnistuerei soll die Spannung erhöhen. Daneben reist Hauptdarsteller Kiefer Sutherland eigens nach München, um für die Ausstrahlung zu trommeln. Premiere zeigt die Serie zeitgleich mit Fox in den USA ab 12. Jänner.

Das kontrollierte Getöse ist verständlich: Diesmal darf nichts schiefgehen. Denn Jack Bauer erlebt den Zeitenwandel, und es ist nicht sicher, ob er ihn überlebt: Bauer gilt als „Archetypus der Bush-Ära" (New York Times). Der Agent der Spezialeinheit CTU ging erstmals zwei Monate nach dem 11. September 2001 auf Terroristenfang. Damals entsprach das hysterisches Getue, das Gefuchtel mit Waffe und Handy der Grundaufgeregtheit im Land. Knapp zwei Wochen vor dem Amtsantritt Barack Obamas wirkt Bauer wie die Karikatur seiner selbst, in besseren Momenten wie ein Comicheld mit gequältem Blick.

"Routineprodukt"

Im deutschsprachigen Raum ließ der Reiz schnell nach. Sowohl ProSieben als auch Österreichs ATV sprangen wegen schlechter Quote ab. Dass Ähnliches mit frischem Wind nach der Wahl Barack Obamas passieren könnte, befürchten nicht wenige. "Stinky Season 6", urteilte die Los Angeles Times über die letzte Staffel. "Routineprodukt", kanzelte die Neue Zürcher Zeitung den dem siebenten Teil vorgelagerten Film "Redemption" ab, einer Notlösung, weil die Autoren streikten und es nicht mehr Material zu verarbeiten gab.


Also von vorne: Eine Boeing 767 steuert auf New York zu. Der totgeglaubte Bösewicht und einstige CTU-Agentenkollege Bauers, Tony Almeida, hat via Computersystem die Kontrolle über den gesamten US-Flugverkehr übernommen. Almeida belässt es beim Schreckschuss, kündigt aber Folgetaten an. Das FBI holt Bauer nach Washington. Wie gehabt: Echtzeit, Splitscreen, Herzschlag an der Digitaluhr und viel Handy-Telefonie.

Frau US-Präsidentin


Nach zwei schwarzen Präsidenten sitzt in der siebenten Staffel erstmals eine Frau im Weißen Haus. Ihre visionäre Kraft strich die Serie stets viel zu wenig heraus: Wie bei den Amtsvorgängern wird weder auf die ethnische noch um die Geschlechtszugehörigkeit viel Aufhebens gemacht. Diese Unaufdringlichkeit, diese Selbstverständlichkeit wäre sympathisch und in zurückhaltenderen Serien das Understatement zur Spitzenklasse. In „24" wird hingegen so heftig mit dem Messer über den Teller gekratzt, dass man stimmige Zwischentöne einfach überhört.

Zweifel an der Haltbarkeit von „24" in der Obama-Ära hatten anscheinend auch die Autoren und zeigten Skrupel: Bauer muss sich vor dem Senat verantworten, er habe er einen Terrorist gefoltert. Der Angeklagte ist einsichtig. Fähigkeit zur Selbstkritik als Unterstützung der Obama-Administration? Mag sein. Minuten später schlägt der alte Bush-Geist wieder zu: Bauer drückt einen Gegner zu Boden und befiehlt ihm zu reden, andernfalls er ihm den Kugelschreiber ins Auge rammen werde - mit Erlaubnis der flotten FBI-Agentin. Der Wandel braucht Zeit, viel Zeit. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 10./11.12.2009)