Bundespräsident Heinz Fischer will sich jetzt nicht noch einmal von Fragen zu seiner Wiederkandidatur nerven lassen: "Eine alte Frage!" Kritik übt er am Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf und dessen Mitarbeiterauswahl. In der Frage des Bleiberechts fordert Fischer eine weiterführende Diskussion und Prüfung ein.

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STANDARD: Sie waren gerade erst in Israel. Gibt es noch Kontakte, die Ihnen eine Vermittlung möglich machen würden?

Fischer: Ich bitte mit dem Wort Vermittlung sehr sparsam umzugehen. Vieles ist für mich durch diese Reise besser verständlich geworden und besser zu beurteilen. Aber wir operieren nicht als selbsternannte Vermittler, sondern wir nehmen die Möglichkeiten wahr, die Österreich innerhalb der EU, innerhalb der UNO und aufgrund seines Ansehens als neutraler und fairer Staat hat. Jemand, der es gut mit Israel meint, wird gerade deshalb stark darauf drängen, dass die Waffen schweigen - und zwar auf allen Seiten.

STANDARD: Sie haben bei Ihrer Reise Vertreter von allen Lagern getroffen - nur nicht von der Hamas. Warum? Die Hamas ist in einer fair abgehaltenen Wahl gewählt worden. Andererseits gilt sie als terroristisch. Wie geht man mit der Hamas um?

Fischer: Ich leugne nicht, dass das eine schwierige Frage ist. Die Tatsache, dass die Hamas im Gazastreifen seit Jahren von der Bevölkerung stark unterstützt wird, leugnet ja niemand. Das ändert aber nichts daran, dass die Hamas zu einem deutlichen Bekenntnis gegen den Terrorismus bisher nicht bereit war. Wichtig wäre, dass sich die Palästinenser zunächst untereinander verständigen und gemeinsame Positionen erarbeiten.

STANDARD: Israel spricht von einem notwendigen Akt der Selbstverteidigung, die Palästinenser von einer unverhältnismäßigen Aggression.

Fischer: Dass die beiden Konfliktparteien unterschiedliche Positionen vertreten und an die Weltöffentlichkeit in unterschiedlicher Weise appellieren, ist nicht überraschend. Politische Konflikte, die so tiefgreifende Wurzeln haben, kann man aber nicht durch militärische, sondern nur durch politische Lösungen aus der Welt schaffen. Deren Inhalt und Ergebnis muss es sein, dass Israel in sicheren und anerkannten Grenzen friedlich existieren kann und nicht zum Objekt terroristischer Angriffe wird. Gleiches gilt für einen zu schaffenden Staat für das palästinensische Volk, der ebenso respektiert werden muss.

STANDARD: Kann oder soll sich Österreich im Gaza-Konflikt stärker engagieren? Kann sich Österreich hier überhaupt sinnvoll einbringen?

Fischer: Österreich hat viele wichtige und wertvolle Schritte in dieser Richtung unternommen. Derzeit ist auch Österreichs Rolle im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wichtig und wertvoll.

STANDARD: In Österreich leben viele Muslime. Fürchten Sie, dass der Konflikt überschwappen könnte?

Fischer: Ich habe keine unmittelbaren Befürchtungen, was die Situation in Österreich betrifft. Aber ich habe dennoch große Sorge, was die Situation im Nahen Osten betrifft. Ich weiß nicht, wie viele Menschen durch das, was sich in den letzten Tagen ereignet hat, radikalisiert werden, und wie viele, die in einigen Monaten oder Jahren wegen eines Aggressionsaktes verhaftet werden, dann sagen: Dieser Zorn ist in mir entstanden, als ich die toten Kinder und Zivilisten im Jänner 2009 gesehen habe.

STANDARD: Diese Woche endet die Begutachtungsfrist für ein neues Bleiberecht. Darin findet sich der vieldiskutierte Vorschlag einer Patenschaft von Privatpersonen für Ausländer. Wäre das eine Möglichkeit für Sie?

Fischer:  Als ich das erste Mal von der Idee gehört habe, den Gedanken eines humanitären Bleiberechtes zu verstärken und mit der Idee einer Patenschaft zu verknüpfen, fand ich das positiv. Dann bin ich vom Generalsekretär von Amnesty International, Heinz Patzelt, angesprochen worden - und vom Diakonie-Direktor Michael Chalupka. Beide haben mir gesagt: Die Grundidee mag gut sein, aber man muss prüfen, ob durch solche Patenschaften nicht unerwünschte Abhängigkeiten geschaffen werden können. Diese Sorge humanitärer Organisationen muss man ernst nehmen. Das heißt, man sollte diese Materie gründlich beraten und zur Behandlung der Regierungsvorschläge Personen beiziehen, die in der täglichen Praxis mit diesen Problemen sehr vertraut sind.

STANDARD: Sie kennen die Debatte über den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf und seine Mitarbeiter, denen rechte Umtriebe vorgeworfen werden. Schmerzt es Sie, dass sich das Parlament damit herumschlagen muss?

Fischer:  Ich habe darüber mit der Präsidentin des Nationalrates gesprochen. Es wäre uns beiden sehr viel lieber, wenn es dieses Thema nicht gäbe.

STANDARD: Haben Sie einen Vorschlag, wie das gelöst werden kann?

Fischer:  Es muss klar sein, dass Österreich ein Land ist, in dem für sehr unterschiedliche politische Meinungen Platz ist, aber es muss Grenzen geben: Auch der geringste Rest nationalsozialistischer Gesinnung hat in Österreich nichts verloren.

STANDARD: Im Prinzip gibt es ja diesen Konsens. Was es nicht gibt, ist ein Werkzeug des Parlaments, wie man mit Mitarbeitern im Haus umgeht, die mit dem Thema kokettieren.

Fischer: Da kann ich Ihnen nur grundsätzlich antworten:Unsere Demokratie steht völlig außer Diskussion, auch wenn sie nicht jede Frage, die auftaucht, perfekt beantworten kann. Es gibt manchmal Graubereiche, die nicht bis ins Detail geregelt sind. Aber eines muss klar sein: Beim Gedankengut der NS-Zeit genügt es nicht, nur zu sagen, das darf nie wieder passieren. Das ist ja selbstverständlich. Man darf da nicht einmal anstreifen.

STANDARD: Und dennoch muss man rechte Umtriebe hinnehmen?

Fischer: Nein, wenn dadurch Gesetze verletzt werden. Ansonsten muss man sich energisch politisch zur Wehr setzen.

STANDARD: Aber mit der Wahl von Graf wurde das Problem ja quasi selbst geschaffen. Vieles war vor seiner Wahl bekannt, es war doch abzusehen, aus welchem Bereich er seine Mitarbeiter rekrutieren wird.

Fischer:  Das sehe ich nicht so. Man darf doch erwarten, dass jemand, der in das Präsidium des Nationalrats gewählt wird, auch ungeschriebene Spielregeln beachtet. Gestatten Sie noch einen Zusatz: Ich habe mich gefragt, ob sich frühere Bundespräsidenten je in die Wahl von Mitgliedern des Präsidiums des Nationalrates eingemischt haben. Das war nicht der Fall, daher habe mich nicht eingemischt.

STANDARD: Aber Sie haben über eine Einmischung doch nachgedacht.

Fischer:  Ich denke über vieles nach.

STANDARD: Kann sich ein Bundespräsident nicht auch als Privatperson zu politischen Themen äußern?

Fischer: Schon - gegenüber seiner Frau zum Beispiel. Aber bei öffentlichen Äußerungen kann ich zehnmal sagen, dass das nur Privatmeinung ist - es wird dennoch dem Bundespräsidenten zugerechnet.

STANDARD: Sie halten es offen, ob Sie für eine zweite Amtszeit ...

Fischer:  Eine alte Frage!

STANDARD: ... aber das interessiert die Menschen. Warum das Zögern?

Fischer:  Ich zögere ja nicht, aber ich bin überzeugt, dass kein Grund besteht, eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundespräsidentenwahl über Kandidaturen zu diskutieren.

STANDARD: Nerven Sie diese Fragen?

Fischer: Ab der zwanzigsten Wiederholung schon. (Peter Mayr und Michael Völker/DER STANDARD-Printausgabe, 10./11. Jänner 2009)