Monika Redlberger-Fritz, Influenza-Expertin am Klinischen Institut für Virologie an der Medizinischen Universität in Wien.

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Zeitgleich mit der Kälte überrollt die Grippewelle Österreich. Schutzimpfung und frühzeitige Therapie sind effiziente Maßnahmen. In spätestens 12 Wochen ist der alljährliche Spuk vorraussichtlich wieder vorbei.

derStandard.at: Wann spricht man von einer Grippewelle?

Redlberger-Fritz: In Österreich wird die Aktivität der Grippe vom Diagnostischen Influenza Netzwerk Österreich (DINÖ) erfasst. Ab November entnehmen Ärzte in ganz Österreich bei jenen Patienten Nasen-Rachen-Abstriche, die sich auf eine Influenzainfektion verdächtig zeigen. Diese Abstriche werden im Anschluss an das Virologische Institut der Medizinischen Universität in Wien geschickt. Sobald 50% dieser Einsendungen Influenza-Virus-positiv sind, gilt das als Kriterium für den Beginn der Grippewelle.

derStandard.at: Zeitgleich mit der Grippewelle ist die Kältewelle über Österreich hereingebrochen. Gibt es da einen Zusammenhang?

Redlberger-Fritz: Es ist wissenschaftlich noch kein Zusammenhang bewiesen worden. Die Grippewelle erreicht uns eigentlich alljährlich im Jänner, spätestens aber immer im Februar. Es ist Zufall, dass das heuer zeitgleich mit dem Einbruch einer Kältewelle passiert. Das Grippeviren die Kälte jedoch lieben, ist unbestritten. Je kälter es ist, desto länger kann ein Virus an einer Oberfläche überleben. Das ist charakteristisch für alle Viren. Will man Viren Forschungszwecke konservieren, dann friert man sie einfach bei minus 80 Grad Celsius ein.

derStandard.at: Die Grippe wird als ernst zu nehmende Erkrankung bezeichnet. Was macht sie so ernst?

Redlberger-Fritz: Es ist eine schwere Erkrankung, die sich durch ihren plötzlichen Beginn und das massive Krankheitsgefühl auszeichnet. Schüttelfrost, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen belasten den gesamten Organismus sehr. Wenn dann noch eine chronische Erkrankung dazukommt, dann kann sich diese noch wesentlich verschlechtern. Vor allem für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischen Lungenerkrankungen ist die Influenza eine bedrohliche Infektion.

derStandard.at: Für gesunden Menschen ist die Grippe keine Bedrohung?

Redlberger-Fritz: Eine Bedrohung schon, denn die Grippe ist per se eine schwere Erkrankung. Es handelt sich hier nicht um einen grippalen Infekt, den ein Gesunder problemlos wegsteckt. Auch ein gesunder Mensch hat nach einer abgelaufenen Grippe eine relativ lange Rekonvaleszenzphase. Es kann mehrere Wochen dauern, um wieder völlig belastbar und fit zu sein.

derStandard.at: Lebensbedrohlich kann die Grippe aber für einen gesunden Menschen nicht sein?

Redlberger-Fritz: Eine lebensgefährliche Situation ist beim gesunden Menschen nicht zu erwarten. Es kann jedoch zu Komplikationen, wie einer Lungenentzündung kommen. Die Situation verkompliziert sich immer, sobald sich zum viralen Infekt ein bakterieller dazu gesellt. Bei Kindern ist die Mittelohrentzündung immer eine mögliche Komplikation.

derStandard.at: Soll man beim Auftreten erster Symptome auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen?

Redlberger-Fritz: Ich würde auf jeden Fall einen Arzt kontaktieren. Allein deswegen, weil der Arzt am besten unterscheiden kann, ob es sich um eine Grippe oder einen grippalen Infekt handelt. Wenn es eine Grippe ist, dann stehen derzeit zwei potentiell wirksame Medikamente zur Verfügung. Tamiflu und Relenza, bei verkürzen bei frühzeitiger Einnahme, sprich innerhalb der ersten 48 Stunden nach Symptombeginn, die Erkrankungsdauer immens.

derStandard.at: Wirken diese Medikamente gegen den diesjährigen Virusstamm?

Redlberger-Fritz: Definitiv ja. Es gab letztes Jahr bei einem bestimmten Prozentsatz von Viren Resistenzen gegen Tamiflu. Das waren Viren des Types H1. Dieses Jahr zirkuliert der H3 Stamm und dieser ist sensitiv auf Tamiflu und Relenza.

derStandard.at: Macht es jetzt noch Sinn sich impfen zu lassen?

Redlberger-Fritz: Nicht, wenn sich bereits Symptome zeigen. Wenn man allerdings jetzt noch gesund ist, dann macht eine Impfung zu Beginn der Grippewelle sehr wohl Sinn. Die derzeit zirkulierenden Viren sind durch die Impfung zu 100 Prozent abgedeckt.

derStandard.at: Wie kann man sich noch vor einer Infektion schützen?

Redlberger-Fritz: Die wirksamste Prophylaxe, die es im Moment gibt, ist die Impfung. Man kann aber zusätzliche Maßnahmen treffen, wie das Vermeiden von Händeschütteln und eine gute Händehygiene. Die Masken sind rein theoretisch ebenfalls ein guter Schutz, allerdings werden diese von der mitteleuropäischen Bevölkerung nicht wirklich akzeptiert.

derStandard.at: Ist die Grippewelle bereits eine Pandemie oder noch eine Epidemie?

Redlberger-Fritz: Das ist keine Pandemie, denn das würde bedeuten, dass die Ausbreitung sowohl räumlich als auch zeitlich nicht begrenzt ist. Eine Epidemie kann sich zwar auch weltweit ausbreiten, aber sie ist immer zeitlich begrenzt. Die Grippewelle konkret dauert in der Regel zwischen 8 und 12 Wochen. Dann ist der Spuk wieder vorbei.

derStandard.at: Man kann also auch heuer wieder davon ausgehen, dass in 12 Wochen die Grippewelle endet?

Redlberger-Fritz: Wie lange sie genau dauern wird, weiß man nicht, aber es wird sich in dieser Größenordnung bewegen.

derStandard.at: Warum endet sie dann?

Redlberger-Fritz: Das liegt einerseits an den besseren Wetterbedingungen und auch daran, dass sehr viele Menschen dann bereits eine Immunität besitzen und den Virus nicht mehr weitergeben können.

derStandard.at: Gibt es einen nationalen Notfallplan für den Fall einer Pandemie?

Redlberger-Fritz: Es gibt einen österreichischen Pandemieplan. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass dieser Virus eine Pandemie verursachen wird. Wir haben eine ganz normale Epidemie, die alljährliche Grippewelle. Es gibt also keinen Grund panischer zu sein, als in den Jahren davor. Als Procedere ist die Schutzimpfung im Vorfeld oder die frühzeitige Therapie, effizient genug.

(Regina Philipp, derStandard.at, 9.1.2009)