Noch selten wurde die EU-Kommission so vorgeführt wie im aktuellen Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Russlands Premier Wladimir Putin versicherte in einem Telefonat mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Russland liefere ja Gas, doch sperre die Ukraine die Transitleitungen. Und die Regierungschefin der Ukraine, Julia Timoschenko, garantierte Barroso, die Transitleitungen seien offen, allein, Russland liefere kein Gas.

Fast könnte man meinen, Moskau und Kiew erlauben sich mit der EU einen deftigen Spaß. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe sieht anders aus. Erst unabhängige EU-Experten, bepackt mit Messgeräten, werden in den nächsten Tagen klarstellen, wer nicht die Wahrheit gesagt hat.

Schon jetzt steht allerdings fest, dass sich die EU auch allein blamieren kann. Noch unter österreichischem Vorsitz und dem Eindruck der ersten Gaskrise Anfang 2006 rief Barroso "ein neues Zeitalter der EU-Energiepolitik" aus. Von einer "bahnbrechenden Energie-Außenpolitik" war die Rede, von langfristigen Verträgen mit den Ländern am Kaspischen Meer, neuen Pipelines, einer "Energiepartnerschaft" mit Russland. Nur Worthülsen, stellt sich jetzt heraus.

Darüber hinaus will die EU nun nach dem Solidaritätsprinzip Gas aus Ländern mit vollen Speichern in Länder umleiten, in denen Menschen möglicherweise bald frieren - ein guter Gedanke, doch wird er weder Russland beeindrucken, noch ist er rasch zu verwirklichen: Es fehlen einfach die notwendigen Leitungen innerhalb der EU. Doch das scheint den blinden Aktionismus der EU-Kommission nicht zu bremsen. (Michael Moravec, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.1.1.2009)