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EU-Kommissarin Ferrero-Waldner ist "offen" für ihre zweite Amtszeit. Die SPÖ nur, wenn ihr die ÖVP kein rotes Revier streitig macht.

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Wien/Brüssel - "Da ist ihm eine Laus über die Leber gelaufen. Das war keinesfalls abgesprochen!" Am Donnerstag war die rote Spitze bemüht, den schwarzen Koalitionspartner nicht weiter zu vergrämen. Der Anlass: Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, dem die Genossen das erwähnte Leber-Laus-Problem attestierten, hatte in News der ÖVP ihren prestigeträchtigsten EU-Posten streitig gemacht, indem er auf Konfrontation mit Österreichs EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner gegangen war. Sie sei "eine Vertreterin jenes neoliberalen Weges, der jetzt weltweit Schiffbruch erlitten hat", hatte Niessl gemeint, und: Ferrero-Waldner stehe also „für einen Weg, den wir nicht mehr brauchen".

Hintergrund für das Gepolter des Landesfürsten: Am 7. Juni stehen die EU-Wahlen an - und manche Sozialdemokraten würden es lieber sehen, dass der Kommissar endlich von der SPÖ gestellt wird. Für den hohen Job in Brüssel gäbe es einige Kandidaten, die dem Anforderungsprofil entsprechen. In der Arbeiterkammer Niederösterreich wartet Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer auf eine Beförderung. Der EU-Abgeordnete Hannes Swoboda wiederum hat selbst oft betont, dass er zur Verfügung stünde.

Doch bisher haben sich SPÖ-Chef Werner Faymann und ÖVP-Obmann Josef Pröll mit der Frage, wer den künftigen EU-Kommissar bekommt, noch gar nicht beschäftigt, wie beide Seiten versichern.

Posten und Proporz

Von Faymann heißt es jedoch sogar in den eigenen Reihen, dass er sich nicht anstrenge, für die Partei den EU-Job zu ergattern - nicht zuletzt, weil er vor seiner Inthronisierung zum Parteichef via Krone den Europa-Schwenk der SPÖ - Volksabstimmungen über EU-Verträge - verkündet hat. Mit einem Kommissar in Brüssel, so Faymanns angebliches Kalkül, sei es schwieriger, die neue Linie zu halten.

Zudem, verrät ein roter Insider, sei dem Kanzler eher daran gelegen, bereits besetzte Spitzenämter zu halten. Etwa den Generaldirektor am Küniglberg: Wegen des in die Krise geratenen ORF überlegen SPÖ und ÖVP derzeit intensiv, eventuell noch heuer die Führung - die nächste Wahl stünde planmäßig erst 2011 an - auszutauschen. Faymann will den SPÖ-nahen Alexander Wrabetz durch einen Vertrauensmann ersetzt wissen - und würde dann, im Zuge eines noch näher zu klärenden Personalpakets, den EU-Kommissar freilich bei den Schwarzen belassen, so die Gerüchte.
Amtsinhaberin Benita Ferrero-Waldner selbst hat jedenfalls mehrmals betont, dass sie für ein zweites Mandat in Brüssel "offen" sei. Alle anderen ÖVP-Potentaten winkten dagegen bisher stets ab: Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel etwa, nun außenpolitischer Sprecher im Parlament.

Abgesehen davon wird aber das Ergebnis bei der EU-Wahl selbst eine gewichtige Rolle spielen, wer das Match um den Kommissar gewinnt. Beim Urnengang 2004 lagen Rot und Schwarz fast Kopf an Kopf (siehe Grafik). Zieht diesmal eine der Regierungsparteien der anderen davon, wird der Sieger Anspruch auf den EU-Posten erheben.

Die Berufung der neuen Kommission könnte sich aus anderen Gründen hinauszögern. Im Juli soll zwar der neue EU-Präsident auf Vorschlag des Rates vom EU-Parlament bestätigt werden, der sich dann sein Team in Absprache mit den Mitgliedern zusammenstellen muss. Doch wegen des ausstehenden Ja der Iren zur EU-Verfassung kann dieser Prozess noch bis Ende des Jahres andauern.

Außerdem ungewiss: Wie viele Abgeordnete Österreich im neuen EU-Parlament stellen darf. Bei einem Nein der Iren beim zweiten Plebiszit würde der Vertrag von Nizza gelten, die Zahl der Mandate auf 17 sinken. Mit einer Annahme des Werks von Lissabon würde hingegen auf 19 aufgestockt werden. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 9.1.2009)