Bild nicht mehr verfügbar.

Tschechiens Premier Topolánek und EU-Kommissionspräsident Barroso bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Die EU-Kommission besuchte am Mittwoch Prag.

Foto: Reuters

Prag - Mirek Topolánek wollte nicht lange herumfackeln. Der tschechische Premier und EU-Ratsvorsitzende stellte lieber gleich ein Ultimatum. Sollte es bis Donnerstag keine Lösung in den Verhandlungen zwischen den beiden Streitparteien Russland und Ukraine geben, wäre es notwendig, "Deeskalation auf höchster politischer Ebene zu suchen" , sagte Topolánek am Mittwoch.
"Donnerstag ist der entscheidende Tag" , sagte er in Hinblick auf die geplante Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen Gasprom und dem ukrainischen Konzern Naftogas. Sollten die Gaslieferungen bis dahin nicht wieder aufgenommen werden, müsse es "eine stärkere Intervention" der EU und der Ratspräsidentschaft geben. Topolánek wollte aber keine Einzelheiten nennen und verwies auf eine geplante Erklärung mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Gleichzeitig kündigte er aber an, dass es "sehr wahrscheinlich" sei, dass Tschechien ein Treffen der EU-Energieminister in dieser Angelegenheit organisiere. Bisher hatte die EU stets betont, dass sie sich nicht in den bilateralen Handelsstreit zwischen Moskau und Kiew einmischen wolle.

Reden über Nabucco

In Zukunft sei eine stärkere Diversifizierung der Route und ein intensiverer Dialog über die Nabucco-Pipeline für die EU nötig, fügte Topolánek noch hinzu. Nabucco soll aus dem kaspischen Raum ab 2012 unter Umgehung Russlands Erdgas nach Europa bringen. Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg sieht in den EU-Russland-Beziehungen indes eine der Hauptherausforderungen für den EU-Ratsvorsitz. Ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PCA) zwischen der EU und Russland solle so schnell wie möglich unterzeichnet werden, sagte Schwarzenberg in der Zeitung Mlada fronta Dnes. Die Verhandlungsposition der EU habe sich entscheidend geändert, weil sich die Mitgliedsstaaten in einer besseren wirtschaftlichen Position als Russland befänden.
Bisher habe Moskau aber weniger Interesse an dem Partnerschaftsabkommen als die EU gezeigt, weil die bestehenden Wirtschaftsbeziehungen, vor allem die Öl- und Gaslieferungen Russlands nach Europa, auch ohne das Abkommen erfolgreich funktioniert hätten. Russland liege aber falsch, wenn es die Taktik verfolge, das Partnerschaftsabkommen so lange hinauszuzögern, bis ein nachgiebigerer EU-Ratspräsident ihm leichtere Bedingungen anbiete, sagte Schwarzenberg.

Russland hofieren

Unterdessen hätten einzelne EU-Länder begonnen, um eine privilegierte Beziehung zu Russland "zu wetteifern" , meinte Schwarzenberg. Bilaterale Abkommen, die so erzielt würden, könnten aber anderen EU-Mitgliedsstaaten und der EU als Ganzes zum Nachteil gereichen. Europas außenpolitische Stärke bestehe in der Einheit.
Die EU erwartet sich durch das neue Abkommen Garantien für die Energieversorgung durch Moskau und einen leichteren Marktzugang für europäische Konzerne in Russland. Die Kommission hat Russland und der Ukraine die Entsendung von Beobachtern im Gas-Konflikt angeboten. Die europäischen Experten könnten die gelieferten Gasmengen an den Übergabestellen überprüfen, sagte der Sprecher von EU-Energiekommissar Andris Piebalgs am Mittwoch in Brüssel. Wenn Russland und die Ukraine dem zustimmten, sollten diese Beobachter "so schnell wie möglich" entsandt werden.
Erneut forderte die EU beide Länder auf, die Lieferungen umgehend wieder aufzunehmen. Kommissionspräsident Barroso telefonierte dazu mit dem russischen Premier Wladimir Putin und dessen ukrainischer Amtskollegin Julia Timoschenko. Barroso nannte es dabei nach Angaben seiner Behörde "inakzeptabel, dass die Gasversorgung der EU zur Geisel der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine genommen" werde. (Michael Moravec aus Prag, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.1.2008)