Istanbul - Bei zeitgleichen Razzien sind in der Türkei nach Fernsehberichten mehr als dreißig Verdächtige festgenommen worden, die an Plänen für einen Putsch gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beteiligt gewesen sein sollen. Unter den am Mittwoch Festgenommenen waren demnach auch Ex-Armeeeneral Erdal Senel sowie der ehemalige Vizechef einer Antiterroreinheit. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul hatte die Einsätze in sechs Provinzen veranlasst. In Izmir kamen ein Polizeibeamter und ein Marineoffizier in Haft. Unter den Festgenommenen sind auch ein nationalistischer Autor und ein Journalist.

Die Festnahmen und Durchsuchungen von Wohnungen wurden im Rahmen der Ermittlungen gegen die ultranationalistische Organisation "Ergenekon" angeordnet, die nach Angaben der Staatsanwaltschaft die Regierung Erdogan mit Gewalt von der Macht verdrängen wollte. Mutmaßliche "Ergenekon"-Mitglieder, darunter ehemalige Armeegeneräle, Akademiker, nationalistische Politiker und Rechtsanwälte, stehen seit Oktober in Istanbul vor Gericht. Die Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück und sprechen von einem politisch motivierten Verfahren gegen Regierungsgegner.

Todesliste

Laut Staatsanwaltschaft wollten sie mit Gewaltakten einen Militärputsch provozieren. Auf ihrer Todesliste sollen unter anderen Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk und der in Istanbul residierende Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, das Oberhaupt der orthodoxen Christenheit, stehen. Zudem wird Ergenekon für Anschläge verantwortlich gemacht, darunter ein Attentat auf den Obersten Gerichtshof, bei dem ein Richter starb.

Die türkische Armee trat in der Vergangenheit immer wieder als Hüterin der kemalistisch-säkularen Grundprinzipien der Republik auf. 1960, 1971, 1980 und 1997 griff sie deswegen in die Politik ein, wobei vier gewählte Regierungen abgesetzt wurden. 1960 unter General Cemal Gürsel und 1980 unter General Kenan Evren übernahm die Armee direkt die Macht. (APA/AFP)