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"Colony Collapse Disorder" nennen Experten den Bienenschwund. Über die Ursachen wird gerätselt und nun verstärkt geforscht.

Foto: AP/Heribert Proepper

Es ist ein wahrhaft gespenstisches Geschehen: Im Bienenstock wird es täglich stiller. Immer mehr Arbeiterinnen kehren nicht mehr von ihren Sammel- und Erkundungsflügen zurück. Sie verschwinden spurlos, im Umfeld des Stocks sind keine tote Tiere zu finden. Die Versorgung der Larven bricht langsam zusammen. Irgendwann bleibt nur noch die Königin zusammen mit ein paar Frischgeschlüpften übrig, eine Regentin ohne Volk.

"Colony Collapse Disorder" - kurz CCD - nennen Fachleute diesen schleichenden Bienenschwund. Er wurde als solcher erstmalig 2006 beschrieben, existierte aber manchen Meldungen zufolge schon mindestens seit zwei Jahren vorher. Betroffen sind die "klassischen" Honigbienen der Art Apis mellifera.

Für die Imkerwirtschaft ist das mysteriöse Verschwinden eine Katastrophe, und nicht nur für sie. In den USA zum Beispiel gingen mancherorts bis zu 90 Prozent der Bienenvölker verloren, in Kalifornien verursachte das Fehlen der fleißigen Arbeiterinnen bereits Probleme beim Mandelanbau. Die rosafarbigen Blüten wurden nicht mehr ausreichend bestäubt.

Handfester Expertenstreit

Über die möglichen Ursachen von CCD und darüber, ob es sich überhaupt um ein neues Phänomen handelt, herrscht inzwischen ein handfester Expertenstreit (vgl. Science, Bd. 319, S. 724). Als mögliche Übeltäter stehen vor allem Viren des Typs IAPV im Verdacht. Sie lähmen befallene Bienen im Flug und lassen sie abstürzen.

Doch nicht jedes IAPV-infizierte Volk scheint sterben zu müssen. Womöglich können die Erreger nur bei Bienen mit geschwächtem Immunsystem ihre tödliche Wirkung entfalten. Diesbezüglich haben Wissenschafter wiederum die parasitische Milbenart Varroa destructor im Visier. Sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark ausgebreitet und schon vor dem Auftreten von CCD empfindliche Bienenverluste verursacht.

V. destructor beißt sich im Chitinpanzer von Bienen fest und unterdrückt deren Immunabwehr. So werden die Arbeiterinnen eine leichte Beute für Krankheitserreger wie IAPV und Bakterien. Es kommen aber auch andere mögliche Stressfaktoren als Begünstiger von CCD infrage - der Einsatz von sogenannten neonicotinoiden Insektiziden zum Beispiel, oder ungünstige, feuchte Wetterbedingungen. Einige Biologen befürchten, der Anbau von genetisch manipulierten Pflanzen wie Bti-Mais könnte schuld sein.

Wahrscheinlich aber ist der Bienenschwund ein komplexes ökologisches Problem mit mehreren zusammenspielenden Faktoren. In der EU will man das Problem gezielt länderübergreifend angehen. Ab Jänner investiert deshalb die European Food Safety Authority (EFSA) - die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit Sitz in Parma - insgesamt 100.000 Euro in ein gemeinsames, neunmonatiges Forschungsprojekt von sieben europäischen wissenschaftlichen Institutionen.

Hinweis auf Umweltprobleme

Das Hauptziel: potenzielle Ursachen von CCD zu identifizieren und Wissenslücken klar zu umschreiben. Des Weiteren sollen bereits bestehende Bienenmonitoring-Programme kritisch analysiert und der Wert ihrer Daten für die Überwachung von CCD überprüft werden. Der Rückgang der Bienenpopulationen, so EFSA-Wissenschaftsdirektor Hubert Deluyker, könnte ein wichtiger Hinweis auf ernsthafte Umweltprobleme sein. Es ist Zeit zum Handeln. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 07.01.2009)