Es war ein ziemlich weiter Weg vom kleinen Wolfi zum großen Wuff. Vom Bauernbub aus Bad Mitterndorf in der Steiermark, der beim normalen Skifahren jede Gelegenheit nützte, über natürliche oder auch selbst zusammengeschobene Schneehügel zu hüpfen, bis hin zum gereiften Vater zweier Söhne, der am Dreikönigstag und in Bischofshofen die besten Aussichten hatte, als erster Österreicher seit neun Jahren die traditionelle Vierschanzentournee der Skispringer zu gewinnen.

Um so weit zu kommen, hatte Loitzl, der am Dienstag seinen 29. Geburtstag feiert, vor allem über seinen Schatten zu springen. Das erforderte einen mächtigeren Satz als jene Sprünge, die ihm nach zwölfjähriger Erfolglosigkeit als Einzelsportler im Weltcup die Siege beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen und drei Tage später am Innsbrucker Bergisel bescherten - in seinem 223. bzw. 224. Versuch.

Wie viele andere ganz speziell Begnadete hatte sich Loitzl lange Zeit mit dem zufriedengegeben, was ihm das Talent beschert hatte. Das ohne exzessiven Aufwand Erreichte war nicht wenig, der Maturant des Skigymnasiums in Stams und Juniorenweltmeister von 1998 war bei den Großen schließlich schon viermal Weltmeister mit der Mannschaft, ehe er für sich selbst zu siegen begann. Und hätte man ihm im Februar 2006 in Pragelato nicht den Einsatz verweigert, er wäre wohl auch Mannschaftsolympiasieger geworden und endgültig mit sich zufrieden gewesen.

Die größte sportliche Enttäuschung erwies sich als größter sportlicher Glücksfall, Loitzl setzte sich neue Reize (Skiwechsel, Wechsel der Trainingsgruppe), gab sich nicht mehr damit zufrieden, ein verlässlicher Platzspringer zu sein.

Persönlich ist dem 1,80 Meter großen und rund 65 Kilogramm schweren Athleten die Wandlung nicht anzumerken. Zurückhaltend und freundlich ist der Zeitsoldat seit jeher. Nicht der Draufgängertyp, den Thomas Morgenstern gibt, schon aus Altersgründen der schiere Gegenentwurf zum kecken, coolen Teenieschwarm Gregor Schlierenzauer.

Mit Gelassenheit nimmt er auch das plötzliche öffentliche Interesse an seiner Person hin, an seinen Hobbys (Motorradfahren, Computer, Sport allgemein) und an seiner Familie - den Söhnen Niklas (1) und Benjamin (3), der Gattin Marika (30) -, mit der er am elterlichen Bauernhof lebt. Der Sprung über den eigenen Schatten und aus dem Schatten anderer hat, sagt er, an seinem Lebensentwurf nichts geändert, hat ihn aber zufriedener gemacht. (Sigi Lützow - DER STANDARD PRINTAUSGABE 7.1. 2009)