Im Englischen gibt es das Idiom „to add insult to injury", das mit „alles noch schlimmer machen" oder „Salz in die Wunden streuen" im Deutschen nur unbefriedigend wiedergegeben wird. Im Fall der Bewohner von Gaza muss es wörtlich übersetzt werden, nämlich mit „zu den Verletzungen auch noch Schmähungen hinzufügen".

"Das Recht Israels auf Selbstverteidigung ist nicht verhandelbar", sagt ein US-Diplomat bei der UNO in New York. Das versteht jeder. Dass damit aber für den laufenden Fall gleichzeitig konstatiert wird, dass das Recht auf Leben anderer mit einem Schlag zur Disposition steht, "verhandelbar" ist, muss ausgeblendet werden. Die „anderen" sind ebenfalls unbeteiligte Zivilisten, ganz wie die von den Kassam-Raketen in Südisrael betroffenen. Aber "das Leiden im Süden macht alles koscher", schreibt Gideon Levy in Ha'aretz.

Es wird denen, die umkommen, nichts nützen, aber vielleicht könnte man bei der Beschreibung dieser menschlichen Tragödie, die jetzt wahrscheinlich auch vermehrt israelische Soldatenfamilien treffen wird, wenigstens die Worte "Recht" und "Gerechtigkeit" vermeiden.

Die humanitäre Seite ist schwer erträglich, also halte man sich besser an die militärische Taktik und die politische Logik, so diese erkennbar ist. Israel formuliert jetzt seine militärischen Ziele klarer und ziemlich bescheiden: Nicht der Sturz der Hamas, wie von übereifrigen Politikern postuliert, sei das Ziel, sondern eine entscheidende militärische Schwächung der Hamas, auch wenn man nicht „jeden Raketenwerfer" erwischt. Dabei ist man nicht trotz, sondern gerade wegen der Libanon-Erfahrung 2006 zuversichtlich: Die Hamas sei nicht mit der Hisbollah zu vergleichen, Israels Armee werde sich diesmal nicht von eigenen Verlusten verunsichern lassen, und Planung und Geheimdienstarbeit seien diesmal gründlicher und länger gewesen.

Das alles solle zu einem „besseren" Waffenstillstand führen - wobei "besser", damit es nachhaltig wird, wohl auch eine Verbesserung der Situation im Gazastreifen selbst beinhalten müsste. Auch viele israelische Analysten akzeptieren, dass die Hamas ihrerseits mit ihren Raketenangriffen auf Südisrael einen "besseren" Waffenstillstand erpressen wollte, das heißt, eine Lockerung der Quarantäne, die das Leben im Streifen zur Hölle macht.

Aber darüber zu sprechen, was im Gazastreifen nach der Offensive werden soll, so weit ist man noch lange nicht. So wie die Zukunft der Palästinensergebiete kein Thema ist. Präsident Mahmud Abbas ist politisch ein Schatten seiner selbst. Dass er im Westjordanland so weitermacht, als sei nichts gewesen, die geplanten Parlaments- und Präsidentenwahlen abhält, ist schwer vorstellbar, genauso wie palästinensisch-israelische Verhandlungen in naher Zukunft. Auch wenn Abbas mit Israel den Wunsch teilen mag, dass sich die Hamas in Luft auflöst: Er weiß es besser.

Politisch scheint jetzt der Schwerpunkt auf einer Lösung für die Südgrenze des Gazastreifens zu Ägypten zu liegen. Wobei Kairo zwischen den Hammer Israels und den Amboss der arabischen Welt geraten ist.

Die Araber machen Druck, dass Ägypten die Grenze öffnet - angeblich soll das der Grund dafür sein, dass bisher kein Gipfel der Arabischen Liga zustande gekommen ist. Eine palästinensische Grenzverantwortung unter der Aufsicht der (bereits existierenden, aber derzeit nicht operativen) Eubam (EU Border Assistance Mission), wie Ägypten es will, würde Israel heute wohl nur mehr akzeptieren, wenn sie militärisch abgesichert wäre. Die Schmuggeltunnel sollen verschwinden - durch die jedoch nicht nur Waffen, sondern auch Versorgungsgüter in den Gazastreifen kommen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD Printausgabe, 5./6. Jänner 2008)