Neue Bilder vom Menschen - und wie sie zustande kommen. Die neue Schau im AEC gibt Einblicke in die Bildproduktion der neuesten Forschung.

Foto: AEC

Wien/Linz/London - Auf dem ersten Blick sehen die Mäuse wie alle anderen Mäuse aus, wenn sie so in ihrem kleinen Käfig herumwieseln. Man sieht, dass es ihnen gut geht. "Das ist auch für uns wichtig, weil nur dann können wir mit ihnen gut arbeiten", sagt Stefan Rumpel. Der Neurobiologe forscht am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien, einer der erfolgreichsten Forschungseinrichtungen in Österreich. Er beobachtet am lebenden Tier, wie Erinnerungen im Hirn entstehen.

Rumpel und seine Kollegen können ihren Mäusen nämlich buchstäblich ins Gehirn schauen. Auf den zweiten Blick sieht man sie, die zwei mal zwei Millimeter kleine Glasscheibe, die den Tieren am Hinterkopf implantiert ist. Sie ist ein Fenster ins neuronale Hörzentrum der kleinen Nager. Für Rumpels neueste Experimente werden die Tiere zunächst nach dem klassischen Pawlow'schen Schema konditioniert: Die Maus hört einen Ton und erhält im Anschluss einen leichten Elektroschock. Sie lernt den Ton zu erkennen und assoziiert diesen mit dem Schock.

Was aber spielt sich dabei konkret im Gehirn ab? Dafür werden die Tiere für eine Stunde betäubt und unter ein neuartiges Mikros-kop gelegt. Mit dem sogenannten Zwei-Fotonen-Mikroskop kann sich Rumpel an der lebenden Maus ansehen, welche neuronalen Verbindungen in ihrem Gehirn gewachsen sind. Auf diese weltweit einzigartige experimentelle Weise will er besser verstehen, wie unser Gedächtnis tatsächlich funktioniert.

Technik des Jahres 2008

Dieses neuartige Mikroskop, das Rumpel verwendet, gehört zur Klasse der Fluoreszenzmikroskope. Eine besonders hoch auflösende Weiterentwicklung wurde von der angesehenen britischen Wissenschaftszeitschrift Nature kürzlich zur "Technik des Jahres" 2008 gewählt. Damit wird es möglich, besonders kleine Bereiche der lebenden Zelle zu sehen - nämlich im Bereich von 60 Millionstel Millimetern. Und für die Entwicklung der fluoreszierenden Stoffe, die diese Einblicke erst ermöglichten, gab es 2008 den Nobelpreis für Chemie.

Einer der weiteren Höhepunkte und Durchbrüche des Wissenschaftsjahrs 2008: neue Entwicklungen in der Teleskoptechnik, mit der Planeten ferner Sonnensysteme erstmals direkt sichtbar wurden. Zuvor waren diese sogenannten Exoplaneten nur indirekt nachgewiesen worden. "Nun haben Forscher Exoplaneten das erste Mal gesehen" , schreibt das US-Wissenschaftsmagazin Science in seinem Jahresrückblick und feierte diesen Fortschritt in der Astronomie als zweitwichtigsten Durchbruch des Jahres 2008.

Egal, ob es nun um neue Einsichten ins Universum oder in den zeitgenössischen Wissenschaften geht, es dreht sich ganz viel um Visualisierung, um Bildgebung, um das Sichtbarmachen des bislang Unsichtbaren.

Die Nanotechnologie zum Beispiel, die in den vergangenen Jahren so einen enormen Boom erlebt hat, wäre ohne die Erfindung des Rastertunnelmikroskops Anfang der 1980er-Jahre nicht möglich gewesen, durch das sich die Nanostruktur von Oberflächen nicht nur abbilden, sondern auch verändern ließ.

Der Blick der Wissenschaft

Ganz Ähnliches gilt für die Neurowissenschaften: Erst durch die Fortschritte in der Magnetresonanz- und der Computertomografie lässt sich unter anderem zeigen, welche Regionen im Hirn aktiv sind und welche nicht. Forscher können dadurch dem Gehirn - wenn bislang auch nur auf sehr rudimentäre Weise - beim Denken zusehen.

Der Blick der Wissenschaft macht weder vor der Haut des Menschen noch vor der Zellwand oder dem Atomkern halt. Immer komplexere Abbildungstechniken treiben die Forschung voran und erzeugen dabei für völlig neue Erkenntnisse. "Diese Erkenntnisse wiederum tragen dazu bei, für eine nachhaltige Veränderung unseres Menschen- und Weltbildes zu sorgen" , sagt Gerfried Stocker, der künstlerische Leiter Ars Electronica Center, das mit einer neuen Ausstellung auf diese Herausforderungen reagiert.

Wie die Bilder entstehen

In der Schau Neue Bilder vom Menschen werden völlig neue Einblicke in die Bilderwelten der zeitgenössischen Wissenschaften gegeben - und nicht zuletzt in die Art und Weise, wie sie produziert werden.

"Die Ausstellung zeigt, wo die Bilder herkommen, wie sie entstehen und wie wir sie interpretieren" , so Stocker.

"Dazu werden Kunst und Wissenschaft gemeinsam zum Einsatz gebracht als zwei Methoden, die uns oft unterschiedlich erscheinen, aber in vielfacher Weise miteinander verwandt sind."

Schließlich gehe es doch beiden Disziplinen immer wieder darum, die Welt zu verstehen und zu erklären.

Dass das keine leeren Worte sind, davon kann man sich ab 2. Jänner 2009 in zwei der Laboratorien der neuen Ausstellung überzeugen: dem GenLab und dem MikroLab, die beide zusammen das BioLab bilden. Der Experimentierraum ist durch eine transparente Regalwand mit geklonten Pflanzen und lebenden Zellkulturen vom umliegenden Ausstellungsraum.

Und hinter dieser durchsichtigen Wand können Besucher - unter dem Mikroskop - mit der eigenen DNA Experimente durchführen. Oder sie klonten die Lieblingsorchidee und nahmen eine Kopie davon mit nach Hause.

Um selbst vorübergehend in die Haut eines Forschers schlüpfen zu können, gibt es auch entsprechendes Equipment: Mit dem Elektronenrastermikroskop zum Beispiel kann man in 10.000-facher Vergrößerung die eigenen Hautzellen betrachten - die dank der Ars Elec-tronica des Mikroskops zu wundersamen Skulpturen und damit auch zur Kunst werden. (Oliver Hochadel, Klaus Taschwer, SPEZIAL - DER STANDARD/Printausgabe, 30.12.2008)