Salzburg – Ein Kuchen ist zu sehen. Hände schneiden die Umrisse Österreichs heraus – und teilen dann das Ganze in vier Stücke. Nicht nur beim Illustrieren der Aufteilung Österreichs in die vier Besatzungszonen 1945 wählt die neue Doku "2634 M. Porträt eines jüdischen Exodus" einen ungewöhnlichen Zugang.

Der Streifen kommt in Videoclip-Ästhetik daher. Die 19-jährige Regisseurin Theresa Hattinger wollte sich "auf emotionale Werte und Formen ohne Ablaufdatum verlassen", sagt sie. Als Hattinger von der Salzburger "Aktion Film", von der Landesregierung den Auftrag erhielt, eine Doku für junge Leute über die Flucht der Juden über den Krimmler-Tauern-Pass 1947 zu gestalten, hatte sie, wie die meisten Salzburger, über dieses Ereignis noch nie etwas gehört.

Von 1945 bis 1948 war eine Viertelmillion Juden aus Ost- und Mitteleuropa auf der Flucht. Viele waren KZ-Überlebende, die nach ihrer Befreiung in ihre Heimatorte zurückgingen – nur um dort blanken Antisemitismus zu erfahren. Ziel der meisten war danach Palästina – um dorthin zu gelangen, mussten die Flüchtlinge die italienischen Häfen erreichen.

Grenzen dichtgemacht

Für etwa 125.000 führte der Weg über Salzburg, das Hauptquartier der US-Besatzungsmacht in Österreich. Die Briten, damals noch Mandatsmacht in Palästina, taten alles, um die Fluchtbewegung zu unterbinden. Der Weg durch das britisch besetzte Kärnten und Osttirol war versperrt. Auch die Route durch Nordtirol fiel im Sommer 1947 weg, nachdem die dortige französische Besatzungsarmee auf Druck der Briten die Grenzen dichtmachte.

In dieser Situation entwickelte der Fluchthelfer Marko Feingold einen waghalsigen Plan. Auf einer Landkarte hatte er entdeckt, dass man von Salzburg auch direkt nach Südtirol gelangen konnte – zu Fuß über die Krimmler Tauern mit einer Passhöhe von 2634 Metern. 5000 Juden schafften in nächtlichen Gewaltmärschen die Flucht. Nicht nur zur Tarnung fanden die Überquerungen nachts statt, sagt der 95-jährige Feingold, heute Vorsitzender von Salzburgs israelitischer Kultusgemeinde: "So konnten sie die Abgründe nicht sehen."

"2634 M", die Doku, die kurz vor Weihnachten Premiere gefeiert hat, ist nicht der einzige Schritt, mit dem die Flucht wieder ins Gedächtnis gerufen werden soll: Auch ein Dokudrama für Unterstufenschüler und eine Broschüre des Landes entstanden; seit 2007 erinnert ein jährlicher Gedächtnismarsch über den Krimmler-Tauern-Pass an 1947. Und nach der 1985 verstorbenen Tauernhauswirtin Liesl Geisler, die damals für die Flüchtenden sorgte, soll ein "Preis der Menschlichkeit" benannt werden. (Markus Peherstorfer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.12.2008)