Ute Bock

foto: sos mitmensch

Die Situation der obdachlosen Asylwerber hat in den vergangenen Monaten dramatische Ausmaße angenommen. Private Hilfsorganisationen sind überfordert. Nun steht auch Österreichs engagierteste Flüchtlingshelferin, die Wiener "Mama" Ute Bock, vor dem Bankrott.

Wien - Ute Bock, pensionierte Leiterin des Gesellenheims Zohmanngasse, ist am Resignieren. Vier Jahre nach der ersten Vergabe des nach ihr benannten "Ute-Bock-Preises für Zivilcourage" hat sie kaum mehr Kraft und Geld, ihren Schützlingen - obdachlosen Asylwerbern - zu helfen.

Seit letztem Sommer ist Ute Bock im Ruhestand, nachdem sie 40 Jahre lang im Gesellenheim der Stadt Wien ein strenges, aber menschenfreundliches Regiment geführt hat. Gegen Ende ihrer Amtszeit geriet sie immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik, weil sie im Heim mehr afrikanische Jugendliche als vom Jugendamt erlaubt aufgenommen hatte. Nach einer Drogenrazzia im Rahmen der "Operation Spring" im September 1999 drohte ihr sogar ein Disziplinarverfahren.

SOS Mitmensch reagierte damals mit der Stiftung des "Ute-Bock-Preises für Zivilcourage", der seither jährlich an sozial engagierte Menschen vergeben wird. Sie selbst erhielt bereits mehrere Auszeichnungen, zuletzt den Bruno-Kreisky-Preis für Menschenrechte. Doch auf Würdigungen solcher Art legt Bock gar keinen Wert. "Was nützt’s, immer mehr Asylwerber stehen auf der Straße." Jeden Tag klopfen unzählige an ihre Tür und fragen, ob "Mama" nicht helfen kann. Doch Mama Bock ist finanziell am Ende.

Wohnungen gemietet

Nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundesdienst gründete sie einen Verein zur Betreuung von Asylwerbern in 25 dafür angemieteten Kleinwohnungen - bescheiden, aber für Flüchtlinge kostenlos. Bock: "Früher hab’ ich den Leuten Fahrscheine gekauft, heute überleg’ ich mir, ob ich mir zu Mittag eine Wurstsemmel leisten soll oder nicht."

Aufhören kann sie trotzdem nicht. Als vor wenigen Monaten durch eine umstrittene Richtlinie des Innenministers Hunderte Asylwerber ihren Anspruch auf Bundesbetreuung verloren, spitzte sich die Lage dramatisch zu. Aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen ergoss sich ein Schwall an heimatlosen Menschen, sie landeten zumeist auf der Straße, ohne Geld, ohne fixe Adresse, die nicht zuletzt wegen der Zusendung allfälliger behördlicher Schriftstücke unerlässlich ist.

Hunderte Meldezettel

Ute Bock versuchte, so viele Asylsuchende wie möglich unterzubringen, doch mittlerweile hat sie einfach keinen Platz mehr. Somit geht es ihr wie den anderen Organisationen, die in den letzten Monaten versucht haben, Schadensbegrenzung zu betreiben und den Flüchtlingen zumindest ein Dach über dem Kopf zu bieten. "Leute, die bei der Caritas rausgeflogen sind, landen zu Dutzenden bei mir", meint Ute Bock. Sie hat in den vergangenen Wochen Hunderte Meldezettel ausgefüllt, um den Obdachlosen wenigstens eine Postadresse zur Verfügung zu stellen.

Was sie überhaupt nicht verstehen kann: "Es ist Flüchtlingen praktisch verboten, sich selbst zu helfen. Die Menschen sollten endlich arbeiten dürfen." Doch das sieht auch die neue Regierung wieder nicht vor. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.3.2003)