Der neue Studienschwerpunkt Gender-Studies stößt auf großes Interesse. An der Uni Wien besuchten fast 8000 Studierende 852 Seminare. Linz hat das erste Institut für Geschlechterforschung.

Lange wurde evaluiert, registriert und beobachtet. Dann ging es los: Vom Wintersemester 1998 bis zum Sommersemester 2001 hat die Universität Wien 852 Lehrveranstaltungen aus dem Bereich Gender-Studies/feministische Wissenschaften sowie Frauen- und Geschlechterforschung angeboten. Zu diesem Ergebnis kommt der Projektbericht "Gender-Studies - Perspektiven von Frauen und Geschlechterforschung" an der Universität Wien. Pro Semester entspricht die Zahl an geschlechterrelevanten Lehrveranstaltungen innerhalb aller Fakultäten dem Gesamtlehrangebot eines mittelgroßen Instituts wie zum Beispiel Geschichte.

Der überwiegende Teil an Vorlesungen, Übungen und Seminaren, die Bezug auf Inhalte im Bereich Gender-Studies nehmen, wurde an der Human- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät (HuS) sowie an der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät (GeKu) abgehalten. "Für die Informationsverbreitung ist generell die Schwerpunktsetzung der Institute und das Interesse des jeweiligen Dekans ausschlaggebend", meint Marlen Bidwell-Steiner vom Projektzentrum "GenderFORSCHUNG", im Gespräch mit dem STANDARD.

Gender-Lehre fix verankert

An der GeKu und der HuS wurde die sozialpolitische Dimension von Problemen wie geschlechtsspezifischen Rollenzuweisungen erkannt und die Gender-Lehre in den neuen Studienplänen fix verankert. Bidwell-Steiner sieht den Bildungsauftrag der Universitäten darin, scheinbar geschlechtsneutrale Themen im Zuge der Gender-Studies in möglichst allen Fachrichtungen zu hinterfragen.

An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät beträgt der geringe Anteil an "Gender-Lehrveranstaltungen" 1,6 Prozent pro Semester. Seit dem Wintersemester 1999/2000 gibt es am Institut für Römisches Recht die Schwerpunktausbildung "Legal Gender Studies". An der medizinischen Fakultät beträgt der Anteil an "Gender-Seminaren" derzeit nur 0,6 Prozent in Relation zum Gesamtlehrangebot. Es gibt aber auch hier Bewegung. Im Rahmen des neuen Studienplans Medizin, der im Oktober 2002 in Kraft trat, wurde Geschlechterforschung in das Lehrprogramm aufgenommen.

Trotz alledem ist noch immer eine Distanz zu sozialwissenschaftlichen Reflexionen in den Bereichen Naturwissenschaft, Medizin und Wirtschaftswissenschaft zu beobachten. Absolutes Schlusslicht bildet die mathematischen Fakultät. "Gender-Lehrveranstaltungen" machen nur einen verschwindend kleinen Anteil von 0,1 Prozent pro Semester aus. Gegen diese für Gender-Forscherinnen unerfreuliche Tatsache arbeitet Bidwell-Steiner: "Gender-Studies sind relevant für alle universitären Bereiche. Es wird nach Interdisziplinarität und einer neuen Definition der Wissenschaft verlangt."

Vom Wintersemester '98 bis Sommersemester 2001 besuchten fast 8000 Studierende, drei Viertel Frauen, Gender-Studies-Lehrveranstaltungen, vor allem am Institut für Politikwissenschaft. 90 Prozent der meist externen Lektoren sind Frauen. Sabine Kock vom Projektzentrum GenderFORSCHUNG: "Die Idealvorstellung wäre ein Gender-Studies-Netzwerk, das von einer zentralen Koordination in alle Fakultäten und alle Disziplinen hineinreicht."

Die Uni Linz hat hier eine Vorreiterrolle: Seit eineinhalb Jahren gibt es dort Österreichs erstes gesamtuniversitäres Institut für Frauen-und Geschlechterforschung. Warum ein eigenes Institut für Gender-Studies? Institutsleiterin Gabriella Hauch sagt, das "symbolische Kapital" eines eigenen Instituts erleichtere die Verankerung von Frauen- und Geschlechterforschung an allen Fakultäten. Man fungiere als "Drehscheibe zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und Frauenförderung".

www.univie.ac.at/gender

www.oeh.ac.at/fem

www.doku.at

www.frauen.jku.at

 

(UNI-STANDARD, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.3.2003)