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Seit Jahresbeginn erhalten Hörspielautoren nur mehr das Senderecht vom ORF entgolten - und verlieren mit dem Werkrechtshonorar fünfzig Prozent ihres Verdiensts. Ein beispielloses Vorgehen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.


Wien - "Das ist eine Gaunerei" empört sich Andreas Wang, Hörspiel-Leiter des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Um später zu präzisieren: "Das ist ein Eingriff in die Substanz, der an dieser Stelle nicht akzeptabel ist. Der die Leistung der Autoren vernichtet."

Der Anlass für Andreas Wangs Empörung ist die beispiellose Maßnahme, mit der der ORF im Rahmen seiner Sparmaßnahmen die Honorare für Hörspieltexte um fünfzig Prozent verringerte: Seit 1. Jänner 2003 erhalten Autoren eines Hörspiels, das der ORF produziert, nur mehr das so genannte Senderecht für ihr Werk entgolten. Das Werkrecht, so die offizielle Diktion, bleibe in den Händen der Autoren und damit ohne finanzielle Abgeltung.

Was aber verbirgt sich hinter diesen Formulierungen? De facto sieht es so aus, dass verlaglich nicht gebundene Autoren bisher für den Text zu einem einstündigen Hörspiel vom ORF rund 2000 Euro Werk- und weitere 2000 Euro Senderecht bei Erstsendung bezahlt erhielten, mithin 4000 Euro. Eine (eventuell Jahre später mögliche) Sende-Wiederholung wurde erneut mit 2000 Euro entgolten, einem dem Erstsendungssatz entsprechenden Wiederholungstarif. Erwarb ein deutscher Sender das vom ORF produzierte Hörspiel, handelte er schon bisher das Autorenhonorar direkt mit dem Autor aus.

Mit einem Honorar von 4000 Euro für Monate der Schreibarbeit stand der ORF bislang im Mittelfeld der öffentlich-rechtlichen Sender des deutschen Sprachraums. Zum Vergleich: Der Schweizer DRS splittet das Autorenhonorar in 2000-3000 Franken für ein 50-minütiges Hörspiel bei Textabgabe, sowie weitere 5000 Franken bei Erstsendung, insgesamt also 7000-8000 Franken, umgerechnet ca. 4800-5500 Euro.

Deutschlands größter Sender, der WDR, zahlt 3.000 - 4.000 Euro für Manuskript- plus Sendehonorar, dieselbe Summe ein zweites Mal bei Wiederholung. Und selbst der wesentlich kleinere Hessische Rundfunk vergütet ein einstündiges Hörspiel mit 3500 Euro, plus 66 Prozent dieser Summe bei Zweitsendung. Ähnlich der SFB/ORB.

30 Neuproduktionen

Befand sich der ORF mit seiner bisherigen Zahlungsmoral also im Durchschnitt, entpuppt er sich künftig, was Autorengehälter anbelangt, als Hörspiel-Albanien.

Rund 100 Hörspiele sendet der ORF in Ö1, jede Woche zwei. Je ein Drittel dieser Termine bestückt er mit Neuproduktionen, mit Übernahmen und mit Wiederholungen aus den eigenen Archiven. Rund 30 Hörspiele also werden im Jahr von Ö1 neu produziert. Mit der Einsparung der 2000 Euro für das Werkrecht erspart sich der Rundfunk somit magere 60.000 Euro im Jahr. Nicht viel in Anbetracht der anvisierten Gesamteinsparung von 62 Millionen Euro. Für die betroffenen Autoren aber bedeutet die fehlende Summe häufig die Zerstörung ihrer wichtigsten Existenzgrundlage.

Ermunterung

Ein Vorgehen, das wesentliche Hörspielleiter des deutschen Sprachraums mit Unverständnis registrieren. Sie sehen in dieser ORF-Sparmaßnahme die Verpflichtung verletzt, die jeder öffentlich- rechtliche Sender gegenüber die Kunst des eigenen Landes übernimmt. "In der Demokratie vertritt der öffentlich- rechtliche Rundfunk heute die Funktion des einstigen Mäzens", sagt Elisabeth Panknin, Hörspielleiterin im Deutschlandfunk Köln, den Kulturauftrag der Sendeanstalten: "Seine Aufgabe ist es, Schriftsteller zu ermutigen, an die Öffentlichkeit zu treten. Eine Aufgabe, die wahrzunehmen er verpflichtet ist."

Und auch Andreas Wang vom NDR stellt klar: "Bei aller nachvollziehbaren Kürzungsnotwendigkeit darf nicht ausgerechnet bei der Honorierung der Leistung des einzelnen Autors gespart werden. Man muss andere Wege finden."

Hörbuchboom

Ein Beispiel unter vielen, wie solche anderen Wege vielleicht aussehen könnten: In den Buchhandlungen sorgen Hörbücher derzeit für Verkaufsrekorde. Bei Langstreckenfahrten im Auto oder Zuhause, zur Erleichterung lästiger Hausarbeit: Das Hörbuch erobert sein Publikum. Ein idealer Markt also für eine Zweitverwertung der ORF- Hörspielproduktionen.

Diese potenzielle Einnahmenquelle offensiv zu nutzen - daran scheint der Sender bisher wenig interessiert. Kaum ein Hörspiel der letzten Jahre fand den Weg auf CD oder Casette - selbst im hauseigenen Ö1-Shop des ORF sind aktuelle Hörspielproduktionen äußerst rar. Und das trotz einer durchschnittlichen Hörerzahl von 20.000 bis 40.000 je Sendetermin. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2003)