Angeblich "verbrannt" und 2000 doch restituiert: Cranachs "Maria mit dem Kinde" (links).

Foto: MAK

Wien - "Unsere neue Wohnung" steht in Schönschrift auf dem Umschlag des dicken schwarzen Fotoalbums. In zehn Abbildungen dokumentierten die neuen Bewohner die "arisierte" Wohnung in der "Meistersingerstr. 13" - vor dem Anschluss und seit 1938 wieder Mahlerstraße. Einst wohnte dort Apotheker David B. mit seiner Familie. Die überlebenden Töchter kehren 1945 in die Wohnung zurück. In einer Lade finden sie dieses Album. Zugeklappt und unauffällig liegt es nun in einer Vitrine, verdeutlicht aber umso eindringlicher die Bürokratie des Raubs und das fehlende Unrechtsbewusstsein der Täter. Gleich daneben Fotos aus den Treuhandalben aus Prag, wo der Raub - oder wie man damals formulierte: "Jüdisches Vermögen wird Volksgut" - sogar bildlich dokumentiert wurde. Erschreckend zynisch: Ausgerechnet die Jüdische Kultusgemeinde musste diese Besitztümer "verwerten".

Die unterschiedlichsten Objekte, von kleinen persönlichen Erinnerungen bis zu kostbaren Gemälden, zeigt die Kuratorin Alexandra Reininghaus in Recollecting. Raub und Restitution gleichwertig nebeneinander. Es steckt eine gewisse Beiläufigkeit in der Installation der Objekte: Große Gemälde, etwa die Medea an der Urne von Ludwig Feuerbach, schlummern ohne Extrabeleuchtung im dämmrigen Saal. "Es sollte nicht auratisch sein", erklärt Reininghaus ihre Entscheidung. Denn der Kunstwert der Stücke ist im Grunde nebensächlich, vielmehr sind die Objekte Stellvertreter für Geschichten.

Nicht überemotionalisiert

Es sind etwa die Geschichten der Familien Gomperz, Ladner, Goldmann, Glückselig oder auch Altmann und Bloch-Bauer, die sich zitathaft an schlichte, offene und daher Transparenz ermöglichende Metallregale heften. Die Nüchternheit, das Dokumentarische der Präsentation war Reininghaus wichtig: "Es war mir ein großes Anliegen, dass das emotionale Thema nicht noch als Melodram inszeniert wird." Stattdessen stellt Reininghaus Schicksale vor, die als "Oral History" nicht mehr erzählt werden können oder vor lauter Schweigen niemals erzählt wurden. Die restituierten Arbeiten sind Teil des Familiengedächtnisses oder lösten dieses erst aus, gaben Anlass dazu, Schweigen zu brechen. Wie im Fall von Jeremy Braunsberg, der 2006 den Namen seines Großvaters Joseph Braunsberg googelte und im Stadtarchiv Hannover auf dessen - inzwischen restituiertes - Bar-Mizwah-Buch stieß. Die Rückgabe gab ihm die Möglichkeit, in Verbindung mit seinen Wurzeln zu treten.

Es ist daher nicht unerheblich, die originalen Objekte, um die häufig jahre-, wenn nicht jahrzehntelang gekämpft wurde, in der Ausstellung zu sehen. Diese so persönlichen Gegenstände, in denen sich wichtige, wenn auch schmerzhafte Erinnerungen manifestieren, wieder herzuleihen war oft eine große Überwindung. Aber es ist auch eine Geste, die eine Geschichte der "Opfer", als die man nicht mehr gelten will, unterbricht. Viel Überzeugungsarbeit war nötig, manchmal gelang sie nicht: Um die Porzellanfigur eines Elefanten stritten Heinrich Rothberger und später seine Erben seit 1947, erst im Oktober 2003 erfolgte die Rückgabe. Statt des Originals steht dort eine matte Replik. Ein Restaurator des MAK flog nach Übersee, um einen Abguss anzufertigen. Sie ist Teil des Projekts von Maria Eichhorn, die wie 13 andere Künstler das Thema Raub und Restitution reflektiert und sich die emotionalere Perspektive erlaubt.

In Medien werde das Thema stets von der materiellen Seite behandelt und politisch moralisierend dargestellt, ergänzt Reininghaus. Sie wollte einmal die Bedeutung der Rückgabe für die Familien thematisiert wissen. Das ist auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte: 2004 wurden Bücher aus der Nationalbibliothek an sie zurückgegeben. Ist für sie selbst nach zwei Jahren Recherche etwas abgeschlossen? "Vielleicht ein bisschen."(Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 15.12.2008)