Denkt, dass er "auf jeden Fall einen guten Schmäh" habe: Für Andreas Wojta hat Kochen auch viel mit Entertainment zu tun.

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Standard: Das Minoritenstüberl ist eine Ministeriumskantine im Souterrain mit Selbstbedienung, Butterschnitzerl und Rindsrouladen. Ist das Ihr Begriff von Wienerisch?

Wojta: Ja. Recht viel Wienerischer kann es nicht mehr sein. Weil nämlich zum Wienerisch neben der guten Küche auch der gute Schmäh gehört. Mit beidem werden die Kunden hier von uns bedient. Alleine schon deswegen, weil wir Selbstbedienung haben und deswegen die Leute direkt Kontakt mit mir haben. Und wenn sie Schmäh oder ein Bussl wollen, dann gebe ich ihnen das. Das ist gratis dazu.

Standard: Sie sind aber eigentlich Niederösterreicher.

Wojta: In Wahrheit bin ich ein Mischling. Der Papa ist ein waschechter Wiener, meine Mutter ist eine waschechte Niederösterreicherin und ich habe sozusagen die Doppelstaatsbürgerschaft.

Standard: Was schätzen Sie an Wien?

Wojta: Ich schätze den Schmäh, die Herzlichkeit der Leute, dieses lukullische Genießen. Ich schätze den Bürgermeister wahnsinnig. Und ich schätze die schönen Kaffeehäuser und die schönen Frauen.

Standard: Sie haben aus einer Kantine einen Hot-Spot für Kulinarik-Fans gemacht, seit 1995 stehen Sie täglich hier ...

Wojta: Das ist richtig ...

Standard: Sie kommen aber eigentlich aus der Haute Cuisine Gerers und Witzigmanns. Wieso nun Wiener Küche?

Wojta: Ich wurde einmal gefragt, was das Verrückteste ist, das ich je in meinem Leben getan habe. Ich habe geantwortet: Das war, als ich damals von Eckart Witzigmann, Koch des Jahrhunderts und weltbester Koch, zurückgegangen bin in eine Kantine. Das ist ungefähr so, wie wenn du bei Real Madrid Fußball spielst und dann kommst du plötzlich in die Kreisliga zu Gramatneusiedl. Es war natürlich am Anfang nicht einfach, aber meine Mutter hatte Brustkrebs und hat mich gebeten, ihr über diese schwierige Zeit hinwegzuhelfen. Nun ist aus diesem Kurzgastspiel mehr als ein Jahrzehnt geworden, weil ich ganz einfach bemerkt habe, dass ich mit dem, was ich gelernt habe, hier das Optimale herausholen kann. Es ist einfach so: Je früher du weißt, was du im Leben willst, desto früher wirst du es erreichen. Ob es Sternderl oder Hauberln sind oder ob es schlussendlich ein zufriedener Gast ist. Ich habe das Glück gehabt, relativ früh zu wissen, was ich möchte.

Standard: Ihr ehemaliger Chef Reinhard Gerer sagt, als junger Mann habe er Frauen mit der Ansage "Ich bin Koch" vertrieben. Das habe sich nun geändert. Wie sehen Sie Ihr Image als Koch?

Wojta: Dank des angesprochenen Reinhard Gerer hat sich im Kochberuf Gott sei Dank in den letzten drei Jahrzehnten wahnsinnig viel getan. Wenn du früher gesagt hast, du möchtest Koch werden, haben dich die Eltern enterbt beziehungsweise haben alle einen Bogen um dich gemacht, weil du mit einem frittenfettenden, stinkenden Individium verglichen worden bist. Derzeit boomt der Kochberuf. Ich glaube auch nicht, dass das Kochen stark von der Wirtschaftskrise betroffen sein wird - weil Hunger hat jeder.

Standard: Es gibt mittlerweile viele Promiköche und derzeit 62 Kochsendungen ...

Wojta: Aber nur ein gutes "Frisch gekocht". Es gibt viel Masse, aber sehr wenig Qualität.

Standard: In "Frisch gekocht" sind Sie der Wiener mit dem "Safterl" und dem "Fleischerl", und Ihr Kollege Fankhauser verkörpert gleichzeitig Provinz und internationale Küche. Sind Sie zufrieden mit dieser Aufgabenteilung?

Wojta: Das ist genauso gedacht, weil die Grundidee ist, dass links der Alexander steht, der Tiroler, rechts der goscherte Wiener. Dass hier zwei Welten aufeinandertreffen, Ost und West. Alleine vom Schmäh sind wir ja wahnsinnig konträr, aber genau das macht den Erfolg der Sendung aus. Wenn du permanent zu Mittag rund 300.000 Leute vor den Fernseher holst, ist das, glaube ich, ein großer Erfolg.

Standard: Warum, meinen Sie, dass Ihre Kochsendung im Vergleich zu anderen besser ist?

Wojta: Ich denke doch, dass sich unsere Sendung von anderen unterscheidet, weil wir nicht nur kochen. Wir entertainen. Ich habe sehr viele männliche Gäste, die zu mir kommen und sagen, "Herr Wojta, ich habe mich bisher noch nie fürs Kochen interessiert, aber seit Sie und der Tiroler das machen, schau ich mir das so gern an, weil Sie lassen mich eine halbe Stunde den Alltag vergessen". Das ist doch herrlich.

Standard: Wie weit sind die Gags ...

Wojta: Sind alle Stegreif. Wir haben kein Drehbuch. Dieser spontane Schmäh ist auch das Besondere an dieser Sendung.

Standard: Glauben Sie, dass Sie einen guten Schmäh haben?

Wojta: Auf jeden Fall, das denke ich schon. Vor allem: 300.000 Leute denken das, sonst würden sie nicht zuschauen.

Standard: Glauben Sie, dass die Österreicher ihretwegen mehr und besser kochen?

Wojta: Mittlerweile weiß ich, dass wir mit der Sendung etwas bewirken, weil ich hier im Minoriten-stüberl das direkte Feedback habe. Wenn dir jeder dritte oder vierte Gast sagt: "Lieber Herr Wojta, das, was Sie machen, ist ein Wahnsinn. Das letzte Gericht habe ich nachgekocht." Dann weißt du, dass du auf dem richtigen Weg bist. Und wenn ich nur bewirke, dass sich plötzlich gewisse Männer, die mit dem Kochen nichts am Hut hatten und nicht einmal wussten, wo in ihrer Wohnung die Küche ist, sich plötzlich damit auseinandersetzen, wie man einen Herd aufdreht.

Standard: Laut einer aktuellen EU-Studie essen Wiener Jugendliche auffällig wenig Gemüse, dafür überdurchschnittlich viel Fleisch und um 50 Prozent mehr Schokolade als der gleichaltrige EU-Durchschnitt. Dennoch propagieren Sie den Zucker in Ihren Speisen. Sollten Sie angesichts dieser Fakten nicht langsam Ihren Koch-Stil überdenken?

Wojta: Ich werde natürlich meinen Koch-Stil überdenken. Sofort. Und nur mehr alles mit Kandisin und Süßstoffen würzen. Nein, Spaß beiseite. Ich denke doch, dass Zucker in Maß und Ziel genossen eine sehr vernünftige Sache ist. Alles, was im Überfluss genossen wird, ist nicht gut. Natürlich muss ich nicht pro Tag ein Kilo Paradeissauce mit fünf Kilo Zucker essen. Ich denke aber doch, dass die Wiener Küche und ihr süßer Einfluss nicht auseinanderzudividieren sind.

Standard: Kochsendungen boomen, Kochen ist chic, ebenso bewusstes Einkaufen qualitätsvoller Produkte. Gleichzeitig werden die Menschen in den Wohlstandsgesellschaften immer dicker. Wie erklären Sie sich das?

Wojta: Das ist eine Kopfgeschichte. Das Grundübel unserer heutigen Übersättigung liegt ja zu Hause. Gesunde Ernährung muss man von zu Hause mitbekommen, da müssen aber die Eltern schon mittun. Weiter geht's im Kindergarten. Mein Sohn ist sechs Jahre alt und wir sind jetzt so weit im Kindergarten, dass es zweimal die Woche eine gesunde Jause gibt. Da werden die Kinder aufmerksam gemacht, dass es außer Leberkässemmel und Hamburger auch Vollkornbrot mit Karottenaufstrich und Sesamkruste sein kann. Wenn ich mich an meine Kindergartenzeit erinnere, es gab bei mir keine gesunde Jause, sondern Linsen, eingebrannte Erdäpfel und Wurstsemmeln - was nicht schlecht ist. Nur nicht die ganze Zeit. Deshalb bin ich der Meinung, je früher wir anfangen mit der Aufklärung, desto besser. Da sind auch die Eltern gefordert.

Standard: Wieso nennen Sie nur die Eltern? Was ist mit den Schulen, Kindergärten und Horten der Stadt Wien? Wird dort genügend gesunde Ernährung angeboten?

Wojta: Ich habe zu wenig Einblick, um ein objektives Urteil abzugeben. Aber ich denke doch, dass der Wiener Bürgermeister im lukullischen Bereich gesegnet ist. Ich glaube aber auch, dass man da noch mehr tun könnte.

Standard: Was Essen betrifft, kennen die Wiener "keine Berührungsängste mit anderen Kulturen", heißt es in dem Kochbuch, das Sie gemeinsam mit Bürgermeister Häupl herausgegeben haben. Warum gibt es aber kaum Spitzenköche mit Migranten-Hintergrund?

Wojta: Gute Frage. Ich denke nicht, dass die Kulinarik-Guides jemanden ausgrenzen. Es geht nur um Leistung. Es gibt eine objektive Beurteilung und es wird kein Unterschied zwischen In- oder Ausländern gemacht, genausowenig wie zwischen Männern und Frauen.

Standard: Es gibt aber auch deutlich mehr Männer unter den Spitzenköchen. Soll das heißen, dass Frauen nicht kochen können?

Wojta: Du meine Güte, natürlich nicht. Aber das ist ein harter Beruf. Der raue Umgangston in der Küche ist nicht jedermanns Sache. Wenn es ans Eingemachte geht, trennt sich der Spreu vom Weizen. Da bleiben von 100 Köchen nur zehn über und da wird vielleicht aus ein oder zwei etwas. Egal, ob In- oder Ausländer oder Mann oder Frau. Mädels sind viel zäher, viel williger und viel belastbarer. In der Regel ist ein Mädel aber unter 16, 17 Männern. Über Jahre hinweg muss man Topleistungen abliefern und sich auch noch blöde Sprüche anhören. Zudem ist es ein familienfeindlicher Beruf.

Standard: Ihr Markenzeichen sind Ihre glänzenden, pomadisierten Haare. Womit präparieren Sie die?

Wojta: Mit Ultrastrong-Gel, und ich brauche jede Woche eine ganze Tube. Würde ich das nicht verwenden, würde ich aussehen wie ein gelocktes Weihnachtsengerl. (Petra Stuiber, DER STANDARD Printausgabe, 13./14.12.2008)