Sinn für Gerechtigkeit, könnte man meinen, ist ein menschliches Anliegen. Dagegen sprechen Untersuchungen an Kapuzineräffchen: Jeweils zwei, die gelernt hatten, einem menschlichen Experimentator auf dessen Verlangen einen kleinen Stein auszuhändigen, wurden in Drahtkäfigen mit freier Sicht auf den Nachbarn untergebracht. Für die Herausgabe des Steins erhielten die Affen meistens ein Stück Gurke, manchmal aber eine Traube, die ihnen viel besser schmeckt. Erhielt eines der Äffchen eine Traube, das andere die Gurke, zeigte das mit dem Gemüse abgespeiste Tier Missfallen: Es verlor die Lust an dem Tauschgeschäft, arbeitete bei wiederholtem "Niedriglohn" nicht mehr mit. In manchen Fällen schleuderte es die ungeliebte Belohnung sogar gegen den Experimentator.

Wie Friederike Range und ihre Mitarbeiter vom Department für Neurobiologie und Kognitionsforschung der Universität Wien bzw. des Wolf Science Centers herausgefunden haben, ist Gerechtigkeitssinn jedoch nicht nur auf Primaten beschränkt. Auch Hunde legen Wert auf Gleichbehandlung, wie Range in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Pnas ausführt. Range und ihr Team arbeiteten mit Hunden, die gelernt hatten, auf Befehl Pfote zu geben. Jeweils zwei Tiere wurden in verschiedenen Situationen getestet: Einmal bekamen beide für das Pfote-Geben eine Belohnung, dann nur jeweils einer von beiden, dann wieder beide nicht. Zur Kontrolle wurde jeder Hund auch ohne Beisein von Artgenossen aufgefordert, seine Pfote in die Hand der Experimentatorin zu legen - zuerst gab es dafür einen Leckerbissen, dann nicht mehr.

Das Pfote-Geben funktioniert tadellos, wenn es eine Belohnung gibt. Es geht auch gut, wenn der Hund allein getestet wird und dafür nichts kriegt oder wenn es für beide keinen Happen gibt. Erhält jedoch nur einer von beiden einen Leckerbissen, verweigert der zweite bald die Mitarbeit bzw. die Pfote und zeigt Stresssignale wie Schnauze-Lecken und Sich-Kratzen. Im Unterschied zu den Affen macht die Qualität der Belohnung keinen Unterschied: Solange jeder Hund für seine Anstrengung belohnt wurde, spielte es keine Rolle, ob mit Brot oder Wurst. Auch zeigten die Hunde keine Tendenz, ihre Belohnung zu verschmähen, wenn sie für dieselbe Leistung nur ein Stück Brot erhielten, für die ihr Versuchspartner Wurst bekam.

Weitere Experimente sollen klären, warum Hunde bei unterschiedlicher Qualität der Belohnung kein Problem haben. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)