Küchenwinkel im "1070": Patrick Sowa kocht auf minimalem Raum gegen die kulinarische Verwahrlosung des Spittelbergs an.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das kann dauern, aber es lohnt sich!

Foto: Gerhard Wasserbauer

In der Gutenberggasse 28 sind ein Mikrowellenherd und ein Tiefkühlschrank in gutem Zustand zu verkaufen. Interessenten melden sich bei Dagmar Wulz, Details siehe unten. Die gebürtige Kärntnerin hat hier, am Spittelberg, ein angejahrtes Lokal übernommen, das zuvor als "Trattoria Vecchia Genova" betrieben wurde. Weil Wulz' Küchenchef aber Patrick Sowa heißt, hat sie keine Verwendung für die beiden Geräte.

Der junge Mann kommt ebenfalls aus Kärnten, hat sein Handwerk im Klagenfurter Dreihauber "Dolce Vita" gelernt und seit seinem Umzug in die Hauptstadt schon für einiges Aufsehen in der jüngeren Wiener Lokalszene gesorgt. Wegen seines virtuosen Talents für italienische Fischgerichte (aber auch Innereien!), das er in kurz aufeinanderfolgenden Abständen erst im "Sin" (nunmehr "Die Burgermeister"), dann im "Mormat" und im "Schon schön" aufblitzen ließ - aber auch, weil er es nirgends länger als ein paar Monate auszuhalten schien.

Im "1070", so der programmatische Name seines neuen Arbeitsplatzes, steht ihm ein Kochwinkel von derart beengten Ausmaßen zur Verfügung, dass der Ausdruck Küchenkastl keine Untertreibung wäre. Auf gefühlten eineinhalb Quadratmetern aber kocht er so unbekümmert hochklassig drauf los, wie man das am Spittelberg (immerhin die Gegend mit der wohl höchsten Lokal-Dichte der Stadt) seit den Tagen von Oliver Hoffingers Kochwerkstatt nicht mehr gesehen hat.

Mit Witz und Gefühl zusammengefügt

Die Speisekarte ist mit gerade sechs Gerichten klein gehalten, das dürfe aber "nicht allzu ernst genommen" werden, sagt Sowa: "Ich bin jeden Tag am Markt und schau was frisch reingekommen ist".

Sardinen etwa, die er in Lardo hüllt, knusprig brät und mit einer Panzanella kombiniert, die aus dem toskanischen Paradeiser-und-altes-Brot-Salat eine herrlich cremige, vor Aromen schillernde Angelegenheit macht. Oder lauwarmen Salat vom Oktopus auf Gurkencreme mit gegrillter Paprika und Minze - nicht anders als wundervoll, mit Witz und Gefühl zusammengefügt. Tris aus gebratener Jakobsmuschel, Rotbarbe und Rochenflügel ist kurz und saftig gebraten, dennoch schleicht sich ein Bitterton von verbranntem Zitronensaft über die Garnitur aus gekräuterten Fisolen - als ob Sowa seine Beziehung zu dem ältlichen E-Herd erst festigen müsste.

Die Fischsuppe ist bei Sowa eigentlich immer ein Highlight, diesmal in Form eines dichten, tomatisierten Fonds, in dem Brassenfilets, ein Kaisergranat und Miesmuscheln schwimmen (alles präzise pochiert) und der mit Zitronengras und gar nicht wenig frischem Chili auffrisiert ist. Schließlich dick geschnittene Kalbskutteln in cremiger Weißweinsauce mit Ofentomaten - danke! Bei voller Auslastung dauert's natürlich, auch die Lüftung ist dann am Limit.

Die Weinkarte bietet je fünf Weiß- und Rotweine glasweise und ebensoviele in der Flasche an. Die sind klug ausgewählt und werden monatlich gewechselt, was zumindest Stammgästen auf die Dauer einen breiteren Querschnitt bieten wird. (Severin Corti/Der Standard/rondo)