Bruchlandung: Vier leinwanderprobte Großstadtbewohner stranden in "Madagascar: Escape 2 Africa" dort, wo sie sich eigentlich zu Hause fühlen sollten - ein Millionenpublikum fühlt mit ihnen.

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Wien – In der fabelhaften Welt der Fiktionen kann es schon einmal vorkommen, dass der unbekannte, betörende Geruch einer Holzkiste bei Bären, Großkatzen und Kleinkindern unbändige Sehnsucht nach einem geheimnisvollen Ort namens Panama weckt. Oder dass der klingende Name der Insel Madagaskar zum Kinderzimmerinventar mutiert, bloß weil es nach dem Willen von Drehbuchautoren vier New Yorker Zoobewohner in einem Zeichentrickfilm dieses Titels dorthin verschlägt.

Seit diese DreamWorks-Produktion 2005 die Leinwand erblickte, soll es nicht wenige minderjährige und erwachsene Kinobesucher gegeben haben, die den zweiten Teil des Abenteuers bereits sehnsüchtig erwarteten. Und diese Fans verschafften Madagascar 2 / Madagascar: Escape 2 Africa seit Anfang November weltweit bereits Einnahmen in der Höhe von 232 Millionen US-Dollar.

In der Tat könnte man sein Eintrittsgeld in Zeiten schrumpfender Familienbudgets auch schlechter anlegen. Nicht nur Löwe, Nilpferd, Zebra und Giraffe wollen wieder etwas erleben. Ersteren hat es als Jungsäugetier aus der freien Wildbahn in den New Yorker Zoo verschlagen, dort hat er es bekanntlich zur tanzenden Attraktion gebracht – bis sein schwarz-weiß gestreifter Freund das Weite suchte. Ein Ereignis, das nun zu einem weiteren Abenteuerurlaub mit unverhofftem Wiedersehen führt.

Neben dem für US-Animationsfilme obligatorischen Vater-Sohn-Konflikt sorgen in der Folge gerade auch Viecher als vielköpfige Horde und Herde für Höhepunkte: ob Lemuren, Schimpansen oder Zebras – aus Gewimmel und Gewusel entwickelt der Film mitreißende Schauwerte.

Frei nach dem schönen Paradoxon der Zebragestreiften – "Wir sind einzigartig, denn wir sind alle gleich" – funktioniert aber auch die Profilierung einzelner Charakterköpfe gut, zum Beispiel mittels Borstenmähne, viel Spucke und hübsch geschnitzter Nasenlöcher. Oder auch durch elaborierte Vorlieben wie jene des forschen Lemurenkönigs, der sich als Crossdresser gefällt, und jene des Pinguinkapitäns, dessen beharrliche Liebe zu einer Hula-Puppe nicht ganz unbedenklich wirkt.

Neben Legionen von Visual Artists und den Regisseuren Eric Darnell und Tom McGrath ist dafür wohl auch Etan Cohen verantwortlich, der diesmal als Autor engagiert wurde. Cohen hat sich mit höherem Blödsinn wie Tropic Thunder, der hierzulande nie gestarteten Politsatire Idiocracy oder diversen Episoden von King of the Hill als Unterhaltungsprofi empfohlen. Nun stellt er unter Beweis, dass er auch gezeichneten aufrecht gehenden Tieren rasante Dialoge auf den geschlechtsmerkmallosen Leib schneidern kann.

Triebgesteuerte Säugetiere

Obendrein hat er noch ein Gruppe eingeborener New Yorker in Afrika ausgesetzt. Diese Großstädter und vor allem vermeintlich gebrechliche Großstädterinnen erweisen sich fern der Zivilisation als die instinkt- und triebgesteuerteren Säugetiere. Von diesem bisschen Herr-der-Fliegen-mäßigen Kulturpessimimus abgesehen, gibt es in Madagascar 2 wohltuend wenig pädagogisches Sendungsbewusstsein, dafür umso mehr famoses Tierpopogewackel. "I like to move it, move it. I want to move your body ..." . Genau. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 03.12.2008)