Warschau - Ein ehemaliger Offizier des Geheimdienstes im kommunistischen Polen (SB) hat Ex-Präsident Lech Walesa von dem Vorwurf entlastet, in den 70er Jahren ein geheimer Mitarbeiter des SB gewesen zu sein. Edward Graczyk, der bisher für tot gehalten wurde, sagte nach Medienberichten gegenüber dem Institut für das nationale Gedächtnis (IPN) aus, er wisse nichts von einer Agenten-Tätigkeit Walesas für den SB.

Edward Graczyk ist eine der Schlüsselfiguren im Streit polnischer Historiker über Walesa. Er soll den damaligen Arbeiter der Lenin-Werft in Gdansk (Danzig) für den SB geworben haben und sein erster Führungsoffizier gewesen sein. Von Graczyk habe Walesa Honorar für seine Spitzeldienste erhalten. So beschreiben es zwei mit dem IPN verbundene Historiker, die im Sommer das Walesa anklagende Buch "Der SB und Lech Walesa" veröffentlichten. In dem Werk wird behauptet, Graczyk sei zu einem unbekannten Zeitpunkt verstorben.

Empörter Walesa

Lech Walesa reagierte empört auf die Nachricht, dass die Information über den Tod des Geheimdienst-Offizier falsch war. "Das ist eine klare Manipulation des IPN", erklärte er am Wochenende gegenüber Journalisten. Walesa wirft dem Institut vor, die ihn entlastende Aussage von Graczyk bewusst verheimlicht und den Ex-Offizier deshalb "für tot erklärt" zu haben.

Slawomir Cenckiewicz, einer der Autoren des Buches über Walesa, verteidigte sich. Er habe sich auf ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2000 gestützt, in dem erwähnt werde, dass Edward Graczyk nicht mehr lebe, so Cenckiewicz gegenüber der Nachrichtenagentur PAP. Der Zeitung "Rzeczpospolita" (Montagsausgabe) erklärte Cenckiewicz, dass er an seiner These über Walesas Geheimdienst-Tätigkeit festhalte. Die Aussagen des ehemaligen SB-Offiziers entwerteten die Dokumente über Walesa nicht, die der Offizier in den 70er Jahren selbst angefertigt habe, so der Historiker.

Tatsächlich bestreitet Graczyk nicht, sich 1970 und 1971 mehrmals mit Lech Walesa getroffen zu haben. Walesa habe sich als eine Person gezeigt, die beruhigend auf seine Kollegen in der Werft einwirken könne, so Graczyk laut Medienberichten gegenüber dem IPN. Über die Gespräche, die er mit dem späteren Friedensnobelpreisträger führte, habe er Berichte angefertigt. Durch die von Walesa erteilten Informationen sei aber "keine Person geschädigt worden", so der ehemalige Offizier. (APA)