Wer geglaubt hat, mit der Übernahme der Spanischen Hofreitschule durch die ehemalige Sacher- und Opernball-Chefin Elisabeth Gürtler wäre ihr Bestand als kulturelle Institution der Republik gesichert, muss nach den jüngsten im STANDARD publizierten Nachrichten zweifeln.

Gürtler hat sich rasch Verdienste erworben, unter anderem durch die Öffnung der Reitschule für Frauen. Sie steht für gehobene Ansprüche, aber ein tieferer Blick auf ihre Aussagen legt nahe: Die Hofreitschule ist für sie eine Art Ronacher. Im historischen Kontext jedoch ist diese Institution eine Stätte der "Hohen Schule", ein Burgtheater der Reitkunst. Das scheint sie nicht begriffen zu haben.

Für Österreicher, die kritisieren, rangieren die Lipizzaner auf der Ebene von Mozartkugeln und Sachertorten. Dahinter steckt ebenfalls eine Menge Know-how, die "Spanische" jedoch ist eine Kulmination von Jahrhunderten einer extensiven Zucht und eines Niveaus, das mit künstlerischen Spitzen des Balletts vergleichbar ist.

Die Zucht- und Ausbildungsstation Piber auszudünnen wäre ein irreversibler Fehler. Warum? 1. Alle Versuche, die Lipizzaner im Flachland zu züchten (z. B. in Laxenburg), sind gescheitert. Sie benötigen (wie in Piber und Lipizza) eher raue, höher gelegene Gebiete mit jener Bodenbeschaffenheit und jenem Bewuchs, die Sehnen und Gelenken die Kraft geben, viele Jahre vor Publikum Spitzenleistungen zu zeigen. 2. Die Fohlen werden von Geburt an auf ihre Ausbildner geprägt. Die Jährlinge daher von Piber abzuziehen und sie z. B. in Schloss Hof weiter auszubilden, wäre ein zu früher Bruch. Erst einige Jahre später sind die jungen Hengste so gefestigt, dass sie den radikalen Wechsel in die Wiener Hofburg, in ein Luxusinternat, verkraften können.

Frau Gürtler hat offenbar einen neoliberalen Ansatz: gute Show, keine Defizite, also weitestgehende Kommerzialisierung. Genau das aber lässt sich mit den Lipizzanern nicht machen. Sie sind keine Rennpferde, die nach fünf Jahren "Betrieb" kaputt sind. Wenn Gürtler diesen Weg geht, riskiert sie die Zerstörung der Tradition der "Hohen Schule". Denn dann muss sie, wie sie gegenüber dem Standard sagte, "am Markt" zukaufen. Das Resultat: eine geringere Qualität und ein Verlust der bisherigen Spitzenstellung.

Tatsächlich wird die Hofreitschule so wie die Bundestheater ohne Subventionen nicht auskommen. Wer jedoch die Umwegrentabilität in Rechnung stellt, wird die Staatshilfe rechtfertigen können. Und wird verlangen müssen, dass die Lipizzaner aus dem Landwirtschaftsministerium herausgelöst werden und ins Kulturressort wandern.

Für die Politiker ist der Ansatz Gürtlers sicher bequem. Sie reden von der Tradition, wollen sie aber billiger. Sie sprechen von ei-ner Attraktion, die sie für beliebig vermehrbar halten. Die Chefin der Hofreitschule weiß zwar um die Grenzen der Belastbarkeit der Lipizzaner, unterschätzt jedoch die Begehrlichkeit der Tourismus-Manager.

Für Schloss Hof und andere Show-Schlösser sollte man eine Andalusier- oder Lusitano-Truppe aufstellen. Aber Hände weg von Piber und von den Lipizzanern.(Gerfried Sperl, DER STANDARD; Printausgabe, 1.12.2008)