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Nachhaltige Investitionen anstatt Turbo-Kreditvergabe: Ivo de Boer möchte, dass bei der Weltklimakonferenz in Poznan ein Rahmenpapier für ein Kyoto-Klimafolgenprogramm ausgearbeitet wird.

Foto: AP Photo/Alik Keplicz

STANDARD: Seitdem die Finanzkrise internationale Ausmaße erreicht hat, scheinen die Probleme rund um den Klimawandel als weniger wichtig erachtet zu werden. Wird wegen der Finanzkrise der Klimaschutz auf die lange Bank geschoben?

De Boer: Es ist schon klar, dass die Finanzmarktkrise, zusammen mit einer Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums, verheerende Auswirkungen auf die Länder hat. Es ist auch klar, dass es deshalb schwieriger wird, Gelder für den Klimaschutz aufzustellen. Aber gerade aufgrund der aktuellen Krise müssen wir die Art, wie Kredite vergeben werden, überdenken. Ich sehe da auch Chancen für Klimaschutzprojekte, wenn wir die Darlehensvergabe auf eine nachhaltigere Art umstellen.

Aber natürlich: Niemand kann derzeit zu den Finanzministern gehen mit dem Hut in der Hand und sagen: Ich brauche Geld für den Klimaschutz. Was wir deshalb brauchen, ist eine Art "grünes Finanzsystem", das sich selbst finanziert. Darüber werden wir jetzt in Poznan sprechen.

STANDARD:: Aufgrund der erwarteten weltweiten Rezession werden auch weniger fossile Energieträger verwendet. Kommt da die Finanzkrise nicht wie gerufen?

De Boer: Mit einer Verlangsamung der Wirtschaftsaktivitäten gibt es auch weniger Treibhausgas-Emissionen. Das ist zwar keine gute Nachricht für den Einzelnen, aber, ja, das ist gut in Bezug auf den Treibhauseffekt. Trotzdem ist beim Treffen der G20 kürzlich in Washington festgehalten worden, dass die Finanzkrise keine Ausrede dafür sein darf, Aktionen gegen den Klimawandel aufzuschieben.

STANDARD: Es gibt viele Kritiker, die weiterhin sagen, dass nicht der Mensch mit seinem Einsatz fossiler Energien am Klimawandel schuld ist. Wie gehen Sie mit diesen Aussagen um?

De Boer: Im letzten Report des UN-Klimarates IPCC von 2007 wird klar gezeigt, dass der Klimawandel eine Tatsache ist und dass er vom Menschen verursacht wird. Diese Debatte, ob die Erderwärmung eventuell nicht antropogener Natur ist, diese Debatte ist vorbei. Der IPCC hat uns klar gesagt, dass der durchschnittliche Temperaturanstieg, auf den wir uns gefasst machen müssen, bei rund drei Prozent noch in diesem Jahrhundert liegt - wenn nichts dagegen unternommen wird und wir zulassen, dass sich die Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem vorindustriellen Niveau verdoppeln. Die hohen Kosten, die durch Nicht-handeln verursacht würden, das hat uns der IPCC genau erklärt.

STANDARD: In den nächsten zwölf Tagen werden in Poznan Verhandlungen geführt, die zu einem internationalen Klimaschutzabkommen führen sollen, das nach dem Kyoto-Abkommen, also bereits ab 2013, gelten soll. Was muss in Poznan herauskommen, damit Sie das Treffen als Erfolg werten?

De Boer: Das wird ein wichtiges Treffen, um eine weltweite Zusammenarbeit im Bereich Klimaschutz auf den Weg zu bringen. Wir müssen dort die verschiedenen Ideen, die zuletzt aufgekommen sind, zusammentragen. Ich hoffe, dass wir nach Poznan ein Papier fertighaben, aufgrund dessen wir konkret verhandeln können. Entscheidend wird sein, ob wir die bestehenden Finanzierungsmechanismen (etwa bei Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländer, bei denen sich das Investorenland die eingesparten Emissionen gutschreiben kann, Anm.) ausbauen und effektiver gestalten können. Es wird wichtig sein, den bestehenden Anpassungsfonds so auszuverhandeln, dass er auch operativ werden kann. Bei diesem Anpassungsfonds müssen die Industriestaaten Vorschläge unterbreiten, wie neue Finanzquellen dafür eröffnet werden.

STANDARD: Ist es in Poznan überhaupt möglich, zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen? Der neue US-Präsident Barack Obama wird erst im Jänner angelobt. Die USA sind als größter Treibhausgas-Emittent weiterhin nicht Teil des Klima-Abkommens.

De Boer: Die USA waren immer konstruktiv in den Verhandlungsprozess involviert, obwohl sie das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben. Der neue Präsident Obama hat bereits gesagt, dass er die US-Treibhausgasemissionen reduzieren will und dass er national verbindliche Emissionsobergrenzen einführen wird. (Johanna Ruzicka//DER STANDARD, Printausgabe, 1. 12. 2008)