Fritz Kaltenegger, neuer Generalsekretär der ÖVP, will lieber kommunizieren als streiten. In der Parteizentrale sollen künftig wieder stärker politische Inhalte entwickelt und vermittelt werden.

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Standard: Soll man Ihnen zu Ihrem neuen Job gratulieren? Ist das nicht ein Himmelfahrtskommando?

Fritz Kaltenegger: Nein, überhaupt nicht. Es ist eine sehr herausfordernde Tätigkeit. Es wird sehr viel Arbeit und Engagement erfordern, das professionell und gut zu erledigen, aber es ist sicher kein Himmelfahrtskommando.

Standard: Welche Rolle soll die Parteizentrale künftig einnehmen? Soll in der Lichtenfelsgasse wieder mehr nachgedacht werden, oder wird das eine Management-Holding, in der Marketing und Organisation im Vordergrund stehen?

Kaltenegger: Ich denke, die Bundespartei sollte auch in der Koordination der politischen Arbeit eine stärkere Rolle einnehmen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Und selbstverständlich soll dort auch die Programmarbeit koordiniert und auch abgewickelt und kommuniziert werden.

Standard: Geht das mit der Mannschaft und den Strukturen, die Sie dort vorfinden? Josef Pröll will Ihnen bei der Gestaltung der Parteizentrale freie Hand lassen.

Kaltenegger: Ich muss mir erst einen Überblick schaffen, welche Strukturen in der Parteizentrale vorhanden sind und wie die einzelnen Leute mit mir und meinem _Arbeitsstil auch können. Wahrscheinlich werde ich noch die eine und andere Verstärkung holen. Ich bin froh, dass ich mit dem Sepp Pröll vereinbaren konnte, dass ich da entsprechende Freiheiten habe, was die Auswahl des Personal betrifft.

Standard: Wie wollen Sie Ihren Job künftig nach außen hin anlegen? _Josef Kalina von der SPÖ und Ihr Vorgänger Hannes Missethon haben sich eine Zeitlang täglich über Aussendungen befetzt.

Kaltenegger: Ich werde auf der einen Seite selbstverständlich unsere Spitzenfunktionäre, die Regierungsmannschaft und die Abgeordneten im Klub entsprechend verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Ich will die tägliche Parteiarbeit und die Kommunikation aber nicht im Hickhack ergehen lassen, sondern konstruktiv arbeiten. Ich hoffe, dass das meine Gegenüber bei der SPÖ, Kräuter und Rudas, ähnlich sehen.

Standard: Haben Sie die schon kennengelernt?

Kaltenegger: Ich kenne die beiden vom Parlament vom Grüßen, aber wir hatten bisher keinen unmittelbaren Kontakt gehabt.

Standard: Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Faymann und Pröll künftig funktionieren? Pröll hat erklärt, er will bei der nächsten Wahl Erster werden, was ja logisch ist. Eigentlich müsste er sich jetzt bemühen, Faymann möglichst schlecht ausschauen zu lassen.

Kaltenegger: Josef Pröll hat durch die Auswahl seines Betätigungsfeldes als Finanzminister die richtige Entscheidung getroffen, indem er ins politische Zentrum rückt. Er wird nicht so sehr schauen, was macht Faymann, sondern er wird konsequent seinen Weg gehen, und der wird uns zum Erfolg führen.

Standard: Sie sind Direktor des Bauernbundes. Betreiben Sie selbst eine Landwirtschaft? Wann waren Sie zuletzt auf einem Bauernhof?

Kaltenegger: Ich selbst habe nie eine Landwirtschaft betrieben, stamme aber von einem Bauernhof in Kärnten. Ich bin auch sehr stolz auf meine Wurzeln. Ich komme leider sehr wenig dazu, daheim mitzuhelfen. Mein Bruder führt jetzt den elterlichen Betrieb.

Standard: Wie kommen Sie dazu, sich im Bauernbund zu engagieren?

Kaltenegger: Man muss nicht selbst Bauer sein, um sich im Bauernbund zu engagieren. Ich habe eine gute agrarische Ausbildung genossen und bin über Josef Riegler und sein ökosoziales Forum in die politische Szene gekommen. Mich hat immer der ländliche Raum und der Bauernstand interessiert, dadurch bin ich beim Bauernbund gelandet. In dieser Zeit habe ich auch Josef Pröll kennengelernt.

Standard: Sie haben Pröll auch in der Perspektivengruppe unterstützt. Ein sehr heftig diskutiertes Thema war die Homo-Ehe, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Das wurde in der Perspektivengruppe vorangetrieben, aber letztendlich nicht umgesetzt. Ist das der ÖVP-Wählerschaft nicht zumutbar?

Kaltenegger: In der Perspektivengruppe sind viele Thema diskutiert worden, nicht nur die Frage der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Ich selbst habe die Arbeitsgruppe Lebensräume geleitet. Da ist eine gute Basis für eine künftige Programmarbeit gelegt worden. Da sollten wir weiter nachdenken und diskutieren. Diese Fragen müssen auch in einen politischen Umsetzungsprozess überführt werden. Das braucht Zeit.

Standard: Die ÖVP hat sich dafür schon relativ viel Zeit genommen.

Kaltenegger: Die Arbeit in der Perspektivengruppe war der erste Schritt in Richtung Modernisierung der ÖVP, ein Heranführen an die neuen Lebenswelten und Lebensumstände. Es haben sich neue Formen des Zusammenlebens in der Familie entwickelt. Es ist wichtig, sich darauf auch als Partei auszurichten und diese Umstände in die konkrete politische Arbeit zu implementieren.

Standard: Gibt es auch andere Familienformen außer Vater, Mutter, Kind oder Kinder, die von der ÖVP geduldet werden?

Kaltenegger: Ja. Ich persönlich bin verheiratet, habe zwei kleine Kinder zu Hause und fühle mich sehr wohl. Aber es gibt natürlich auch andere Formen des Zusammenlebens. Das ist in der heutigen Gesellschaft auch selbstverständlich. Mit dieser Realität müssen wir uns auch als Partei auseinandersetzen. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2008)