Klare Bekenntnisse fehlen ... Teilweise nur banal ... Eine schrecklich nette Regierung ... Das Gute im Schlechten ... Das Dumme am Falschen ... Im Standard überbieten sich die Kommentatoren derzeit förmlich in ihrer abwertenden Einschätzung dieser großen Koalition. Dabei entbehrt diese Kritik jeder Grundlage. Die vergangenen Sonntag feierlich verkündete Faymann-Pröll-Koalition ist genau so, wie eine große Koalition zu sein hat. Und bis dato kann niemand seriöserweise ausschließen, dass es sich um die beste große Koalition aller Zeiten handelt.

Die Kritik ist umso verwunderlicher, als ein Großteil jener, die jetzt im Jammerton über die neu gebildete SP-VP-Regierung herziehen, noch vor kurzem kundgetan hat, dass eben diese Regierungsvariante so rasch wie möglich umgesetzt gehöre, weil sie die einzig vernünftige sei. In schwierigen Zeiten brauche das Land eine Regierung der Mitte, eine stabile Mehrheit und verlässliche Akteure.

Bitteschön, da ist sie nun, die versammelte Mitte, da sind sie die verlässlichen - und wie es sich im Frauenemanzipationsland Österreich gehört, zu zwei Dritteln männlichen - Regierungsakteure. Kaum von den Politkommentatoren bestellt, schon geliefert! Was soll also dieser allgemeine Unmut? Warum fällt man einer Regierung, die man herbeigeschrieben hat, gleich in den Rücken?

Die Antwort ist einfach: Auch die beste große Koalition gibt ein schlechtes Bild ab. Und jede große Koalition muss an der an sie gerichteten Erwartungshaltung scheitern, wenn man von ihr Paradoxes verlangt, nämlich dass sie gerade nicht so sein soll, wie eine große Koalition gezwungenermaßen sein muss. Man will eine große Koalition, die mutige Reformen umsetzt. Doch eine mutig reformierende große Koalition wäre eine paradoxe große Koalition. Man will eine Regierung, bei der sich die beteiligten Parteien nicht gegenseitig austricksen und blockieren. Doch eine partnerschaftliche, sich gegenseitig antreibende große Koalition wäre ebenfalls eine paradoxe große Koalition. Und zu guter Letzt wollen viele eine große Koalition, die der extremen Rechten den Wind aus den Segeln nimmt. Aber es wäre es eine höchst paradoxe große Koalition, würde sie nicht der radikalen Opposition in die Hände spielen.
Diese neue Koalition zeigt von Anbeginn an, dass sie nicht paradox ist. Sie ist, wie sie sein muss. Und wer das verstanden hat, der oder die versteht auch, dass das Problem eben nicht diese große Koalition ist, sondern das Prinzip, das allen großen Koalitionen zugrunde liegt, nämlich sich nach innen und die Demokratie nach außen zu blockieren.

Wege aus der Sackgasse

Wer also wirklich eine lebendige, reformfähige Demokratie will, der oder die sollte nicht diese große Koalition kritisieren, sondern sich endlich schlechthin von der großen Koalition als Regierungsvariante distanzieren. Österreich braucht neue politische Szenarien, neue Kooperationsformen sowie einen Demokratisierungsschub, der einer Parteiendemokratie, die sich in eine Sackgasse befördert hat, machtvolle Beteiligungsmöglichkeiten der nicht parteigebundenen Menschen an die Seite stellt.
Denn unabhängig davon, ob es die politischen Akteure und Kommentatoren begreifen wollen oder nicht, ist die große Koalition in jedem Fall ein Auslaufmodell. Doch wenn man ihr nicht aktiv demokratisierend entgegensteuert, sondern sie einfach bis zu ihrem erzwungenen Ende weiterlaufen lässt, dann wird das, was danach kommt, Österreich wahrscheinlich in eine noch wesentlich tiefere Demokratiekrise stürzen als jene, die jetzt schon spürbare Realität ist. (Alexander Pollak/DER STANDARD-Printausgabe, 29./30. November 2008)