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Kampflächeln für die Fotografen: Premier
Silvio Berlusconi in Rom.

Foto: EPA

Die Rezession trifft das Niedriglohnland Italien hart: Ein Drittel der Familien kommt mit dem Geld nicht über den Monat. 7,5 Millionen Italiener sind von Armut bedroht. Der Premier fordert indes gute Stimmung.

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Läuft in Italien etwas schief, dann haben meistens die Medien ihre Hände im Spiel. Zumindest nach Überzeugung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Vor wenigen Tagen knöpfte er sich das Staatsfernsehen RAI vor. Das Fernsehen verbreite "Pessimismus und Panikstimmung, die sich negativ auf das Konsumverhalten auswirken", klagte Berlusconi. Zur Überwindung der Krise sei "allgemeiner Optimismus unumgänglich".

Dazu sehen viele Italiener freilich nur geringen Anlass. Denn im Land mit den niedrigsten Löhnen der EU trifft die Krise die Bürger mit besonderer Härte. Ein Drittel aller Italiener schafft es nicht mehr bis zum Monatsende, neun Prozent aller Familien haben das verfügbare Geld schon nach zwei Wochen aufgebraucht. 7,5 Millionen Italiener sind von Armut bedroht. In neun Monaten haben über 340.000 Unternehmen ihre Tore geschlossen. Die Zahl der Entlassungen soll bis Jahresende auf eine halbe Million ansteigen.

Längst können viele Bürger ihre Kredite nicht mehr bezahlen. Die Zunahme der Versteigerung von Wohnungen liegt bei 25 Prozent. Jetzt will die Regierung die Ärmsten mit einem Hilfspaket unterstützen. Pensionisten mit einem Jahreseinkommen unter 6000 Euro sollen mit einer "Social Card" monatlich für 40 Euro einkaufen können, bedürftige Familien erhalten im Jänner je nach Einkommen und Kinderzahl eine einmalige Unterstützung zwischen 200 und 1000 Euro. Besonders für Immigranten sind die Aussichten trüb. Entlassenen, die in sechs Monaten keinen neuen Arbeitsplatz finden, droht die Abschiebung.

Die Lega Nord nutzt die Krise, um weitere Maßnahmen gegen Ausländer zu fordern. Die jährliche Quote von 170.000 Aufenthaltsgenehmigungen soll für zwei Jahre ausgesetzt werden. Ärzte sollen dazu verpflichtet werden, Patienten ohne gültige Papiere anzuzeigen. In der von ihr regierten Stadt Treviso geht die Lega noch einen Schritt weiter: Immigranten sollen durch eine Prämie von 2000 Euro zum Verlassen der Gemeinde angeregt werden. "Italien", befürchtet die Wochenzeitung Famiglia Cristiana, "steuert immer mehr auf ein Apartheidmodell zu."

Berlusconi, dessen Regierung sinkende Umfragewerte aufweist, sieht im Parlament eine "lästige Zeitvergeudung". Den Dialog mit der "unfähigen" Opposition lehnt er ab. Noch vor wenigen Monaten hatte sich der Regierungschef seine dritte Legislaturperiode ganz anders vorgestellt. Er werde Italien "in nur zwei Jahren in ein modernes und konkurrenzfähiges Land verwandeln", hatte er angekündigt. Augenfälligstes Symbol der Modernisierung sollte die marode Alitalia werden. Ein Privatunternehmen, versprach Berlusconi, werde die mit fast drei Milliarden Euro verschuldete Fluglinie ersetzen. Am 1. Dezember sollte der Flugbetrieb starten, davon ist keine Rede mehr. Während Alitalia das Streckennetz fast täglich reduziert, bietet nun ein Italien-Ableger der Lufthansa frustrierten Passagieren eine Alternative. Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.11.2008)