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Zwei Mitglieder eines der Überfallkommandos in einem Hotel in Mumbai, von einer Kamera eingefangen.

Foto: AP/Maharastra Times

Eine bisher unbekannte Gruppe, die "Deccan Mujahidin", hat sich bekannt. Sie soll auf eine verbotene islamistische Studentenorganisation zurückgehen. Genannt werden auch pakistanische Verbindungen.

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Die Einordnung der Täter am Tag danach enthält zwangsläufig viel Spekulatives, zumal in einem Land wie Indien, mit einer sehr vielfältigen und von verschiedenen Konflikten gespeisten Terrorismusszene. Auch aus Namen, Bekennerschreiben etc. Ablesbares, vermeintlich Programmatisches kann theoretisch irreführend sein.

In Mumbai haben sich die "Deccan Mujahidin" bekannt, die als Ableger der "Indian Mujahidin" verstanden werden. Dekkan ist das mittelindische Tafelland vom Gujarat bis Hyderabad, das ab dem 15. Jahrhundert von Muslimen erobert wurde und von den Islamisten als ureigenes islamisches Gebiet angesehen wird. Die Überführung des Nizamats von Hyderabad (gegründet von Nizam-ul-Mulk, dem Vizekönig des Großmoguls Aurangzeb in Ahmednagar) in die indische Republik, war für viele Muslime ein Grund zur Frustration, sagt Bert Fragner, Direktor des Instituts für Iranistik an der Akademie der Wissenschaften.

Die "Indian Mujahidin" sind offenbar aus der verbotenen Gruppe "Students Islamic Movement of India" (SIMI) entstanden, und für Rüdiger Lohlker, Professor für Islamwissenschaften an der Universität Wien, erscheint der Zusammenhang mit dem Anschlag in Mumbai logisch. Zwar habe die Gruppe offenbar Verbindungen zu Bangladesch, worauf technische Details von Bomben bei anderen Attentaten - bevorzugt in BJP-regierten Staaten - hinwiesen, aber sie sei ein "indisches Gewächs aus der kolonialistischen Auseinandersetzung" . Auch wenn die indischen Sicherheitsdienste immer Verbindungen zu Kaschmir herzustellen versuchten.

Lohlker weist auch auf die kommunalistischen Konflikte zwischen Hindus und Muslimen hin - die ja die "Indian Mujahidin" in ihren Pamphleten betonen. Insofern, so Lohlker, der zu extremistischen islamistischen Gruppen forscht und dessen Buch über Jihadismus im Dezember erscheinen wird, falle einem bei Mumbai auch ein, dass Auseinandersetzungen und die Gruppen, die sie betreiben, oft einen kriminellen Untergrund haben, mit fließenden Übergängen.

Pakistanische Hintermänner

Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin hält das, was der indische Staat in der Vergangenheit als Belege für die Täterschaft der SIMI vorgelegt hat, nicht restlos überzeugend. Nicht, dass er nicht glaube, dass es "aus dieser Ecke" käme, aber über die einzelnen Gruppen gebe es keine völlige Klarheit, sagt Steinberg. Obwohl unbestreitbar sei, dass indische Gruppierungen an Bedeutung gewinnen und bei ihnen der Jihadismus, sieht Steinberg einen "starken pakistanischen Konnex" und nennt die Gruppe Lashkar-e-Taiba, die bereits um 2003 klargemacht habe, dass sie nicht mehr an der Kaschmir-Dimension festhalte.

Für Steinberg spricht auch das Ziel - die antiamerikanische und antibritische Komponente des Anschlags - von Mumbai für eine zumindest ideologische Anbindung an pakistanische Gruppen. Für eine rein indische Gruppe mache das wenig Sinn - wobei ein verhafteter Attentäter ja bereits gestanden habe, er sei Mitglied der Lashkar.

Den Krieg in Afghanistan in die Spekulationen miteinzubeziehen, führe zu weit, sagt Steinberg. Allgemein sage der Angriff in Mumbai jedoch aus, dass der globale Jihadismus ein neues Schlachtfeld gefunden habe - und nicht erst seit heute, wobei Terror in Indien im Westen immer erst wahrgenommen werde, wenn Anschläge eine auswärtige Dimension haben, wie bei Luxushotels in Mumbai.

Mastermind gesucht

Obwohl sich die indische Bloggerszene am Donnerstag ebenfalls auf Lashkar-e-Taiba und eine pakistanische Patenschaft einschoss, liegt der Schwerpunkt der Ermittlungen laut Medienberichten bei der SIMI. Als Mastermind vergangener Anschläge wird Abdul Subhan Qureshi alias "Taukir" genannt, ein Computeringenieur aus Mumbai. Drohungen, ein größeres Attentat in Mumbai durchzuführen, gab es seit längerem. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2008)