Foto: M. Lipus

"Mit dieser Regierungsbildung hat Werner Faymann bewiesen, dass er doch kein Populist ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Regierung für irgendjemanden populär ist. Die Ressortaufteilung jedenfalls ist die logische Entscheidung eines Mannes, der mittelfristig politischen Selbstmord begehen will. Dass man sich zum Kanzler einer Regierung macht, wo alle Schlüsselressorts der kleine Koalitionspartner hat, ist mir schleierhaft.

Die Ressortbildung ist extrem perspektivlos. Zwei Beispiele: Um den rassistischen Hetzkampagnen von Strache und Co zu begegnen, hätte man ein kühnes Zeichen setzen und ein Integrationsministerium gründen können. Oder: 2,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind Bauern, Österreich ist kein Agrarstaat, trotzdem haben wir ein Landwirtschaftsministerium. Andererseits wird immer verkündet, dass wir eine Kulturnation sind, aber es gibt kein eigenes Ministerium.

Die gute Nachricht bei dieser Blockade gegenüber allen Neuerungen: Es ist in Österreich unerheblich, ob es eine Regierung gibt oder nicht. Wichtige Entscheidungen werden in der EU getroffen. Die schlechte Nachricht: Die SPÖ hat mit ihrem EU-Kompromiss nicht eingehalten, dass Europapolitik in Österreich diskutiert wird. Das einzige positive Ergebnis der Schüssel-Jahre war das Gefühl, Politik könne mehr sein als ein Abnicken der Entscheidungen der Sozialpartner. Diese Errungenschaft wird unter der ÖVP-Regierung mit dem roten Kanzler rückgängig gemacht.

Es ist die Pflicht eines jeden Demokraten, ab dem Tag der Angelobung der Regierung dafür zu sorgen, dass die Regierung wieder abgewählt wird. Das ist ein Zitat von Karl Popper, und bekanntlich liebt die SPÖ Popper-Zitate."

Der STANDARD erreichte den österreichischen Schriftsteller Robert Menasse telefonisch in Paris. (asch//DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2008)