Wien - Weil sie Kokain verkauft und personenbezogene Daten aus dem elektronischen Aktenverwaltungssystem (PAD) weiter gegeben hatte, ist am Dienstag eine ehemalige Schriftführerin bei der Wiener Polizei im Straflandesgericht zu neun Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Ermittlungen gegen die 22-Jährige hatten im vergangenen April zur Suspendierung eines Wiener Staatsanwalts geführt: Der Anklagevertreter soll unter anderem in jenem Lokal Kokain erworben haben, in dem sich die Beamtin in ihrer Freizeit als Kellnerin verdingte.

Gut dürfte die bei der Pressestelle der Bundespolizeidirektion Wien tätige Schreibkraft nicht verdient haben. Jedenfalls nicht gut genug, um auf Dauer ihre Drogensucht finanzieren zu können. Seit frühester Jugend konsumierte sie Cannabis, zuletzt benötigte sie zusätzlich beinahe täglich vier bis fünf Gramm Kokain.

"Doppelleben" fiel nicht auf

Ihre Abhängigkeit fiel an ihrem Arbeitsplatz offenbar ebenso wenig auf wie ihr "Doppelleben": Nach Feierabend jobbte die zierliche Frau regelmäßig in einem Kellerlokal in Wien-Mariahilf, das hauptsächlich von Fußballfans frequentiert wurde. Unter den jungen, teilweise vorbestraften Rapid-Anhängern pflegte ab und zu auch der Staatsanwalt zu sitzen, den mit dem Publikum eine an Besessenheit grenzende Leidenschaft für den österreichischen Fußball-Rekordmeister verband.

An zumindest zwei Lokal-Gäste verkaufte die 22-Jährige Kokain. Sie hatte dieses von ihrem Dealer übernommen, der ihr für ihre Dienste den für ihre eigene Sucht dringend benötigten Stoff teilweise unentgeltlich überließ. Der Staatsanwalt befand sich laut Anklageschrift nicht unter den Abnehmern der Frau.

Zusätzlich sah die Schriftführerin für Bekannte, mit denen sie sich in dem Lokal angefreundet hatte, im Polizeicomputer nach: Für einen 23-jährigen Dachdecker fand sie heraus, ob Freunde von ihm mit Haftbefehl gesucht wurden und wann er selbst von der Polizei vorgeladen werden sollte. Für einen 24-jährigen Autoverkäufer brachte sie die Anschrift und die Telefonnummer eines Mannes in Erfahrung, der diesem Geld schuldete.

Angeklagte geständig

Die Angeklagte legte vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Michaela Sanda) ein umfassendes Geständnis ab. Beruflich hat sie mittlerweile umgesattelt: Sie ist als Kellnerin in einer Konditorei tätig. Von den Drogen ist sie losgekommen. Ihr Verteidiger legte eine entsprechende ärztliche Bestätigung vor.

"Offen" ist noch das Ermittlungsverfahren gegen den "aufgeflogenen" Staatsanwalt. Ob die Verdachtslage für eine Anklageerhebung ausreicht, hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten zu beurteilen - das Verfahren wurde nach Niederösterreich delegiert.

"In dieser Sache haben erst vor kurzem weitere Vernehmungen stattgefunden", meinte Gerhard Sedlacek, der Sprecher der St. Pöltner Anklagebehörde, auf Anfrage der APA. Der Abschluss der Ermittlungen sei noch nicht absehbar. (APA)