Wahrscheinlich wäre es zu viel verlangt, erwartete man von einem Koalitionsübereinkommen, dass es die konkreten Vorhaben einer Regierung bis ins letzte Detail skizziert. Mit Sicherheit ist nicht übertrieben, von einer künftigen Regierung zu erwarten, dass ihr zu den Themen Fremdenrecht, Migration und Integration mehr einfällt als "Maßnahmen gegen Missbrauch", die Einsetzung einer Kommission und den Hinweis, dass es sich um eine "Querschnittsmaterie" handelt. In Deutschland dagegen hat Angela Merkel das Thema Integration zur "Chefsache" erklärt. In Österreich, wo die Politik offenbar wieder einmal nicht weiterweiß, gibt es einen Arbeitskreis.

Dass das zu wenig ist und die Zeit längst drängt, zeigt die Tatsache, dass das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung just am Montag eine Studie präsentierte, wonach Europa gut beraten sei, Zuwanderung grundsätzlich positiv zu sehen - denn ohne sie werde der Kontinent bevölkerungsmäßig schrumpfen. Ein Staatssekretariat für Migrations- und Zuwanderungsfragen, womöglich im Bundeskanzleramt angesiedelt, wäre ein echtes Signal gewesen, doch das hat man sich entweder nicht getraut oder es gar nicht gewollt.

Nun ist nicht alles, was im Koalitionspapier steht, negativ zu bewerten: Der Plan, mehr Migranten in die Exekutive zu holen und die Zuwanderung grundsätzlich über klare Kriterien statt über starre Quoten zu regeln, und das verpflichtende letzte Kindergartenjahr sind gute Ansätze - doch ohne konkretes Bekenntnis zu Zuwanderung und ohne klare Zuständigkeiten bleiben auch die besten Absichtserklärungen nur Stückwerk. (Petra Stuiber/DER STANDARD-Printausgabe, 25.11.2008)