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Selbstbewusst im einstigen US-Hinterhof: Dmitri Medwedew (re.) mit Mexikos Felipe Calderón in Lima.

Foto: AP/Franco

Lima/Moskau - Ein besonderes Gastgeschenk hat sich der russische Präsident Dmitri Medwedew für seinen Besuch in Lateinamerika ausgedacht. Wenige Tage vor seiner Ankunft in Venezuela wurden am Montag russische Kriegsschiffe unter dem Kommando des atomgetriebenen Raketenkreuzers "Peter der Große" in der Karibik erwartet. Sie nehmen an mehrtägigen gemeinsamen Manövern mit Venezuelas Marine teil.

Medwedew versucht mit seiner Tour nach Peru, Brasilien, Venezuela und Kuba an die guten Beziehungen anzuknüpfen, die die Sowjetunion in der Region hatte. In den 1990er-Jahren hatte Russland die früheren strategischen Partner vernachlässigt. Der russische Wirtschaftsboom und das zunehmend angespannte Verhältnis zwischen Russland und den USA haben in Moskau zu einer Neuordnung der Prioritäten geführt.

"Während der Sowjetzeit hatten wir mit vielen Staaten ziemlich mächtige, ernsthafte Beziehungen. Jetzt ist die Zeit gekommen, diese wiederherzustellen" , sagte Medwedew am Montag nach dem asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgipfel (Apec) in Lima. Russland wolle "privilegierte Beziehungen" zu den Staaten Lateinamerikas.

"Lateinamerika ist nicht mehr der Hinterhof der USA. Die Region verfolgt ihre eigene Politik, was Russland die Möglichkeit gibt, dort seine Position zu festigen" , zitiert die Zeitung Kommersant eine nicht näher genannte Quelle aus dem russischen Außenministerium. Mit der geplanten engeren Kooperation zwischen Russland und Lateinamerika will der Kreml laut Experten Washington beweisen, dass man im Hinterhof der USA genauso erfolgreich agiert wie etwa die USA in Georgien und anderen Nachbarländern Russlands.

Erschwert wird Medwedews politische Mission durch die Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten. Auch die lateinamerikanischen Staaten hegen die Hoffnung, dass sich unter einem demokratischen Präsidenten die gegenseitigen Beziehungen verbessern, und wollen dies nicht gefährden. Dass Moskau außenpolitisch ziemlich isoliert dasteht, zeigte sich, als außer Russland nur Nicaragua die beiden abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien als unabhängig anerkannte.

Abgesehen vom politischen Muskelspiel hat Russland in Lateinamerika auch handfeste wirtschaftliche Interessen. Igor Setschin, russischer Vizepremier und Aufsichtsratschef des Ölkonzerns Rosneft, ist seit Juli bereits dreimal nach Lateinamerika gereist, um für russische Investitionen und Exporte zu werben. So sollen ein russisch-venezolanisches Energie-Joint Venture entstehen und eine Pipeline von Venezuela nach Brasilien gebaut werden. Zudem hofft Russland, in Venezuela einen Kunden für seine unter Druck geratene Rüstungsindustrie zu finden.

Finanzkrise gefährdet Deals

Den ambitionierten Projekten dürfte nun allerdings die Finanzkrise in die Quere kommen. "Die Finanzkrise und fallende Ölpreise zwingen Moskau, seine groß angelegten Pläne der derzeitigen Lage anzupassen" , schreibt Kommersant. Analysten rechnen damit, dass sich der Bau der Pipeline durch Südamerika um einige Jahre verzögern wird, da der russische Staatskonzern Gasprom bereits Finanzierungsprobleme hat. Auch die Waffenlieferungen an das stark vom Ölpreis abhängige Venezuela sind aufgrund des Einbruchs beim Rohölpreis weniger wahrscheinlich geworden. Noch im Sommer hatte Venezuela Interesse an russischem Kriegsgerät im Wert von zwei Milliarden US-Dollar gezeigt.

Starke Konkurrenz für die russischen Unternehmer stellt China, das einnahmenseitig nicht von Ölpreisschwankungen abhängig ist und über die größten Währungsreserven der Welt verfügt, dar. Schon jetzt übersteigen die chinesischen Exporte nach Lateinamerika die russischen um ein Vielfaches. China scheint auch diesmal die Nase vorn zu haben. Präsident Hu Jintao tourte eine Woche vor Medwedew durch Südamerika. (Verena Diethelm/DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2008)