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Die Opposition demonstriert mit einem Plakat, das den König Bhumipol zeigt.

Foto: EPA

Seit Wochen flammen die Anti-Regierungsproteste in Bangkok immer wieder auf. Dieser Tage soll es nach Bekunden des Oppositionsführers Sondhi von der People's Alliance for Democracy (PAD) zum "entscheidenden Kampf" um die Macht im Staat kommen, die Regierung von Premierminister Somchai wurde ultimativ zum Rücktritt aufgefordert. Für Marco Bünte, Thailandexperte vom Hamburger GIGA Institut für Asien-Studien, könnte es die Taktik der Opposition sein, die traditionell politisch agierende Armee zu einem neuerlichen Putsch gegen die gewählte Regierung zu provozieren. Im Gespräch mit derStandard.at erklärt er, warum.

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derStandard.at: Wie schafft es die PAD, 50.000 Menschen in Bangkok auf der Straße zu versammeln und gegen die gewählte Regierung aufmarschieren zu lassen?

Marco Bünte: Zu den aktuellen Hauptpersonen der PAD gehört etwa Sondhi, dem als Medienmanager etwa das Manager-Magazin gehörte, der ein Freund von Thaksin war und als besonders königstreu gilt. Chamlong, ein anderer wichtiger Kopf der Protestbewegung, mobilisiert schon deshalb viele Leute, weil er auch ein religiöser Führer ist. Dann kommen noch Gewerkschaftsführer dazu sowie Aktivisten von Nichregierungsorganisationen und der Demokratischen Partei. Zusammen mit Teilen der Bangkoker Mittelklasse, die an den jüngsten Demonstrationen beteiligt waren, schaffen es diese Leute leicht, mittels all dieser Netzwerke zehntausende Menschen auf die Straßen zu rufen. Aktuell spricht man aber eher davon, dass die PAD die Unterstützung eines Teils der Bangkoker Mittelschicht verloren hat.

derStandard.at: Die PAD plant etwa, das Wahlrecht zu Ungunsten der Landbevölkerung zu ändern. Wieso findet ein solches Vorhaben so viel Zustimmung?

Marco Bünte: Das ist letztendlich ein ganz altes Thema in Thailand, wenn man sieht, dass bei den Wahlen 2001, 2005, 2006 und 2007 die Parteien, die in den ländlichen Gebieten des Nordens und Nordostens gewählt werden, sehr viele Abgeordnete ins Parlament schicken konnten. Diese Parteien werden in Bangkok pauschal abgelehnt und sind mit dem Makel des Stimmenkaufs behaftet. Das liegt aber auch daran, dass es in Thailand keine Parteien gibt, die bis auf die lokale Ebene hinunter organisiert sind. Es sind eher Ansammlungen von Geschäftsleuten aus den Provinzen, die sich mangels Organisation auf die Stimmen ihrer lokalen Netzwerke verlassen müssen. Darum funktioniert die Demokratie in manchen Teilen von Thailand nicht und deshalb hält die Bangkoker Mittelschicht die Parteien der Landbevölkerung generell für korrupt. Die Mittelschicht in der Hauptstadt ist aber zu klein, um gegen die Landbevölkerung, die zum Teil 70 Prozent des Wahlvolks stellt, in der gegenwärtigen Form Politik machen zu können. Mächtig ist sie natürlich trotzdem.

derStandard.at: Wie positioniert sich aktuell der König?

Marco Bünte: Das ist sehr schwer zu sagen. Auch deshalb, weil der König schwer krank ist und niemand weiß, inwiefern er in der Lage ist, die politischen Geschicke des Landes eigenständig zu beeinflussen. Es gibt auch Spekulationen, dass er die Situation aufgrund seines Zustandes nicht mehr wirklich mitverfolgen kann. Außerdem ist derzeit eher der königliche Kronrat das Gremium, das für den König spricht.

derStandard.at: Wie präsent ist die politische Krise in Thailand eigentlich im täglichen Leben?

Die Politik beschäftigt sich momentan nur noch mit der Krise. Wenn man aber nach Bangkok fährt, bekommt man außerhalb des Regierungsbezirks, wo sich die großen Demonstrationen abspielen, überhaupt nichts von den Protesten mit. Trotzdem, die politische Krise und das derzeitige Chaos lähmt das Land und macht Thailand, auch was das Geschäftsklima betrifft, von außen betrachten nicht unbedingt attraktiver. Wenn die Demonstranten so wie im März Flughäfen und Hotels besetzen, ist das auch für die weitere Entwicklung sehr abträglich. Thailand hat momentan den ASEAN-(Verband Südostasiatischer Nationen, Amn.)Vorsitz inne, der Premierminister muss sich aber fast ausschließlich mit der Krise zuhause beschäftigen. Was wir erleben, ist eine politische Krise aus der es keinen Ausweg gibt, ohne dass eine der Konfliktparteien nachgibt. Und danach sieht es im Moment nicht aus.

derStandard.at: Wird das Militär Ihrer Ansicht nach in den Konflikt eingreifen?

Marco Bünte: Die Armee ist mit ihrer langen Putschgeschichte immer die große Unbekannte in Thailand und darf als politischer Faktor nie ausgeklammert werden. 2006 hat sie geputscht, um den König zu schützen und um Thaksin, der zu mächtig geworden war, abzusetzen. Man hat eine neue Regierung installiert und versucht, diese Probleme zu lösen. Das ist überhaupt nicht gelungen. Im Moment haben wir die genau gleiche Situation wie vor dem Staatsstreich und ich wage zu behaupten, dass sich, würde jetzt gewählt, an den Mehrheitsverhältnissen im Land nichts ändern würde. Das Militär ist mit der Übergangsregierung angetreten, um die Polarisierung im Land zu überwinden. Auch das ist gescheitert. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Armee eingreift, einfach deshalb, weil sie selbst kein Rezept hat, wie die Probleme im Land zu lösen wären. Hundertprozentig kann man sich aber nicht darauf verlassen, dass das auch so bleibt. Die PAD versucht letztendlich, einen Putsch der Armee gegen die Regierung zu provozieren, indem sie die öffentliche Ordnung weiter destabilisiert. (flon/derStandard.at, 24.11.2008)