Die Unterschriften von Werner Faymann und Josef Pröll auf dem Koalitionspakt.

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Formulierungskunst war gefragt in einem Regierungsprogramm, das einen „Selbstzerstörungsmechanismus" enthält: Überstimmt ein Koalitionspartner den anderen im Parlament, dann ist Schluss mit dem gemeinsamen Regieren.

  • EU-Kompromiss

Grundsätzlich treten SPÖ und ÖVP für europaweite Volksabstimmungen zu EU-Verträgen ein. Die Kompromissformel, um der Frage einer nationalen Volksabstimmungen über künftige EU-Verträge (wie sie die SPÖ will) zu entgehen, lautet: „Hinsichtlich nationaler Volksabstimmungen verpflichten sich beide Koalitionsparteien, einen auf die Durchführung einer Volksabstimmung gerichteten parlamentarischen Antrag bzw. ein solches Verlangen von Mitgliedern des Nationalrates oder Bundesrates (Art. 43 und 44 B-VG) nicht gegen den Willen der jeweils anderen Koalitionspartei zu stellen oder zu unterstützen." Sonst gibt es Neuwahlen.

  • Konjunkturpakete

Im Programm verankert wurde ein Maßnahmenpaket, um die Wirtschaft anzukurbeln: 2009 sollen 545 Millionen Euro fließen, 2010 noch einmal um zehn Millionen mehr - etwa in vorgezogene Bauprojekte, die thermische Sanierung von Gebäuden und Investitionsanreize für Unternehmen.

  • Steuerreform

2,2 Milliarden Euro werden Steuersenkungen ausgeben. Niedrigeinkommen bis zu einer Bemessungsgrundlage von 11.000 Euro jährlich werden steuerfrei gestellt (bisher 10.000 Euro). Der Eingangssteuersatz wird von 38,33 auf 36,5 Prozent gesenkt, der mittlere Steuersatz von 43,6 auf 43,2 Prozent. Der Spitzensteuersatz bleibt bei 50 Prozent, wird aber erst ab einer Bemessungsgrundlage von 60.000 Euro fällig (derzeit 51.000). Selbstständige erhalten zwar kein steuerbegünstigtes 13. und 14. Monatsgehalt, dafür aber höhere Freibeträge.

  • Staatsreform

Konkrete Einsparungsziele bei der Staats- und Verwaltungsreform werden im Regierungsprogramm nicht genannt, dafür soll eine Arbeitsgruppe Vorschläge erarbeiten. Einen neuerlichen Anlauf wird es bei der Lösung des Ortstafelkonfliktes in Kärnten geben.

  • Energie und Umwelt

Der Klimafonds soll mit 150 Millionen Euro jährlich dotiert werden. Die Wohnbauförderung wird an die Verwendung von innovativen Heizsystemen gekoppelt. Für die öffentlichen Verkehrsmittel soll es ein günstiges „Österreichticket" geben.

  • Forschung und Entwicklung

320 Millionen Euro zusätzlich werden allein 2009 und 2010 in Forschung und Entwicklung investiert. 2010 soll die Forschungsquote - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - bei drei Prozent liegen.

  • Sicherheit und Integration

Wer einwandern will, muss sich um eine „Rot-Weiß-Rot-Card" bemühen. Parameter sollen u. a. Deutschkenntnisse und das Einkommen sein. Ein Strafverfahren soll künftig parallel zu einem Asylverfahren abgewickelt werden können, um kriminelle Asylwerber schneller abschieben zu können. Geplant ist ein drittes Erstaufnahmezentrum. Bei der Polizei werden 1000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Erlaubt wird die Onlinedurchsuchung.

  • Arbeitsmarkt

SPÖ und ÖVP sind sich einig, dass der Arbeitsmarkt für die Bürger der neuen EU-Länder nicht vor Ablauf der Übergangsfristen geöffnet werden soll. Nur für Fachkräfte wird es eine stufenweise Öffnung geben. Schwammig formuliert ist das Kapitel zur „Entlastung des Faktors Arbeit".

  • Familie

Das letzte Kindergartenjahr soll in ganz Österreich gratis und verpflichtend sein, allerdings nur vormittags. Budgetiert ist das mit 70 Millionen Euro pro Jahr. Kommen wird auch der „Papamonat". Wie lange die „Auszeit" dauern soll oder wie sie finanziert wird, ist nicht festgeschrieben. Vage bleibt das rot-schwarze Programm auch beim geplanten einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld.
500 Millionen sollen gezielt Familien zugute kommen. Die Kinderabsetzbeträge werden von 610 auf 700 Euro jährlich angehoben, dazu werden für jedes Kind 220 Euro pro Jahr steuerfrei gestellt („Kinderfreibetrag"). Kosten für Betreuung können künftig im Ausmaß von bis zu 2.300 Euro jährlich von der Steuer abgesetzt werden - bis zum 10. Lebensjahr des Kindes und ohne Einkommensgrenze.

  • Homo-Partnerschaft

Keine Klarheit gibt es zum Streitthema Homo-Partnerschaft. Es wird eine Arbeitsgruppe geben, „die die weitere Vorgangsweise im Detail festlegt".

  • Frauen

Verpflichtende Frauenquoten für Aufsichtsräte wird es ebensowenig geben wie eine explizite Kopplung der Wirtschaftsförderung an die Frauenförderung. Ein „nationaler Aktionsplan für Gleichstellung" wird erarbeitet.

  • Pensionen

Die Pensionsautomatik ist vom Tisch, dafür gibt es ein Bekenntnis zum „Pensionsmonitoring": Anpassungen des Antrittsalters, der Beitragshöhe oder der Pension passieren auf Basis eines Gutachtens einer neuen Pensionskommission. Stufenweise auslaufen soll die „Hacklerregelung" ab 2013.

  • Pflege

Geeinigt haben sich SPÖ und ÖVP darauf, einen Pflegefonds einzurichten. Mit welchen Mitteln er gespeist wird, ist offen. Dafür sind Evaluierungen geplant. Die Sozialpartner sollen Lösungsvorschläge erarbeiten, wie man Pflegenden einen Rechtsanspruch auf Teilzeit ermöglichen kann. Außerdem sollen sie die Möglichkeit einer Pflegekarenz bis zu sechs Monaten (mit Kündigungsschutz) überprüfen. Ein „Pflegekonjunkturpaket" zur Förderung von 2000 zusätzlichen Pflege- und Betreuungskräften bis 2010 ist ebenfalls geplant.

  • Armutsbekämpfung

Beim Thema Mindestsicherung heißt es, die Regierung werde „auf Basis der vorliegenden Arbeiten über die bedarfsorientierte Mindestsicherung deren Umsetzung zügig vorantreiben". Geprüft werden weitere Fahrpreisermäßigungen für öffentliche Verkehrsmittel.

 

  • Schule

Die Direktoren sollen zukünftig bei der Personalauswahl mitwirken. Die Bezirksschulräte sollen aufgelöst werden. Geplant ist eine Neuorganisation der Lehramtsstudien mit engerer Kooperation zwischen Unis und Pädagogischen Hochschulen. Die Modellversuche zur „Neuen Mittelschule" soll es in allen Bundesländern geben.

  • Universitäten

Alle Studienanfänger müssen künftig eine „flexible Studieneingangs- und Orientierungsphase" absolvieren, bei Master-Studien sollen die Unis Zugangsbeschränkungen einführen können. Die Ausweitung der Studienplätze in Medizin soll weit geringer ausfallen als wenige Tage vor den Wahlen im Nationalrat beschlossen. Konkrete Budgetzahlen gibt es in dem Papier nicht. Die Ausgaben für den tertiären Sektor sollen auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes angehoben werden.

  • Gesundheit

Die defizitären Kassen sollen entschuldet werden - wie, das bleiben SPÖ und ÖVP schuldig. Grundsätzlich bekennen sie sich zu einer solidarischen Finanzierung, zur Selbstverwaltung der Sozialversicherungen, und sind gegen die „Zwei-Klassen-Medizin". Ein weiteres Ziel ist die „gemeinsame strategische Ausrichtung (...) und Steuerung im Gesundheitswesen".

 (DER STANDARD-Printausgabe, 23.11.2008)