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Julia Jentsch, Stipe Erceg und Daniel Brühl in Hans Weingartners "Die fetten Jahre sind vorbei"

Foto: APA/Y3 FILM HANS WEINGARTNER FILMPRODUKTION

Politische Filme sind nicht zwangsläufig Propagandaschinken à la "Triumph des Willens" und "Panzerkreuzer Potemkin". Seit den 90er Jahren haben sich einige durchaus erfolgreiche Filme aus Europa hervorgetan, die politische Aussagen ohne viel Pathos und dafür mit viel Unterhaltungswert unter die Leute gebracht haben. Die Politikwissenschafterin Monika Mayrhofer hat sich in ihrer Dissertation "Die fetten Jahre sind vorbei" mit diesen Filmen befasst. Das Bild, das ihre Forschungsarbeit zeichnet, stellte sich dabei als durchaus ambivalent heraus.

Randgruppenthemen

Eine Prämisse ist Mayrhofer wichtig: ein Film ist ein vielschichtiges Konstrukt, das weit über die ausgesprochenen Inhalte hinausgeht. Kameraführung und Schnitt bestimmen die visuelle Wirkung des Films, der oft tiefer geht, als die Sprache. So vermag der Film einen Aspekt des politischen Handelns darzustellen, der in der Tagespolitik untergeht, nämlich den der Emotionen.
Die analysierten Filme zeigen Menschen, die von gesellschaftlichem Abstieg bedroht sind oder bereits zu einer Randgruppe gehören. Etwa Jugendliche aus den Pariser Banlieues ("La Haine", Frankreich 1995), Bahnarbeiter in der englischen Provinz ("The Navigators", Großbritannien 2001) oder AktivistInnen, die in Berliner Nobel-Villen einbrechen, aber nur die Möbel umstellen, anstatt etwas mitgehen zu lassen ("Die fetten Jahre sind vorbei", Deutschland 2004).

Gewalt der Verzweiflung

Die AkteurInnen der Filme sind mit der neuen flexiblen Arbeitswelt konfrontiert und den Verlockungen der Konsumgesellschaft, mit der Sensationslust der Massenmedien und der Repression durch die Polizei. Gemeinsam ist einigen von ihnen, dass sie an die Grenzen ihrer legalen Handlungsmöglichkeiten stoßen und diese schließlich auch überschreiten. Dass es in den Filmen dabei zu Gewaltakten kommt, erklärt die Politikwissenschafterin mit einem fatalen Dilemma, in dem sich die AkteurInnen befinden: traditionelle Protestformen stellen sich als unwirksam heraus und neue Wege des Protests sind noch nicht gefunden. Die bedrängten Personen sehen keinen anderen Ausweg, als zu physischer und psychischer Gewalt zu greifen. Diese bekommt aber eine Eigendynamik; das ursprüngliche Ziel wird in den Hintergrund gedrängt. So werden beispielsweise die Opfer von Polizeiübergriffen selbst zu TäterInnen oder die Anti-Konsum-Aktion endet schließlich in der Entführung eines "Klassenfeindes".

Positiv wird in einigen Filmen das gemeinsame politische Handeln und solidarische Verhalten dargestellt. So lange dies möglich ist, und eine Bereitschaft besteht, sich zu engagieren, sind Veränderungen zumindest prinzipiell möglich.

Politainment

Die Studie bietet einen theoretisch fundierten Querschnitt durch den zeitgenössischen politischen Film in Europa und zeigt, dass auch ohne direkten Bezug zu Parteien oder Institutionen politische Statements in Unterhaltungsfilmen möglich sind. Wie groß nun das emanzipatorische Potenzial solcher Filme für das Publikum ist, wäre vom politikwissenschaftlichen Standpunkt noch interessant gewesen. Der Aufwand, um dies herauszufinden, wäre aber ungleich höher gewesen und hätte mehrerer Mitwirkender bedurft.

Angesichts der Filme selbst kommt Mayrhofer zum Schluss, dass es um die politische Partizipation schlecht bestellt sein dürfte. Dieser Eindruck könnte aber auch dadurch entstehen, dass Sitzungen von Gemeinderäten in der Regel nicht sexy genug für einen Spielfilm sind.

Die Dissertation "Die fetten Jahre sind vorbei. (Be)Deutungen des politischen Handelns in gegenwärtigen Spielfilmen" ist im Volltext nachzulesen.