Es Weihnachtet

Immer wenn es gegen Ende des Jahres etwas trauter wird und die ersten Christkindelmärkte ihre Pforten öffnen, ist es Zeit für die derbe, erwachsene Kost der elektronischen Unterhaltung. Wobei das mehr mit der gestiegenen Kaufbereitschaft, als mit der thematischen Verschränkung zu tun hat: Shooter sorgen nach wie vor für Millionenumsätze bei Spielherstellern. Angesichts immer aufwändigerer Grafiken und fimreifer Umsetzungen erfreut sich das angestaubte Genre größter Beliebtheit.

Exklusiv

Die Konsolenhersteller Sony und Microsoft schicken dieses Jahr zwei  exklusive Action-Spektakel für ihre Konsolen PlayStation 3 und Xbox 360 ins Rennen. Mit Resistance 2 (Res 2) und Gears of War 2 (GoW 2) handelt es sich gar um die Nachfolger zweier  Millionen-Seller. Auf den ersten Blick betrachtet, haben die Titel das Gröbste gemein: Digitale Menschen knallen digitale Aliens ab. Beim Reinschnuppern zeigt sich allerdings: viel unterschiedlicher könnten zwei Welten nicht geschrieben werden. In beiden Fällen eine runde Sache.

In GoW 2 steht die Menschheit vor dem Abgrund. Eine schaurig schöne Alienrasse, Locust getauft (z.D.: Heuschrecken) holt zum finalen Schlag aus, nachdem sie im ersten Teil der Serie an den Rand der Vernichtung gedrängt wurde.  Die Menschen haben sich in ihre letzten Hochburg Jacinto zurückgezogen und formieren ihrerseits die Truppen (Gears) zum rettenden Gegenschlag. Die Locusts sollen in ihren Geburtshölen aufgesucht und ausgerottet werden.

Screenshot

Bei Res 2 ist das obligatorische Endzeit-Szenario sprichwörtlich in die Vergangenheit gesetzt worden. Einen zweiten Weltkrieg hat es nie gegeben, anstelle dessen haben die Chimären den Planeten verseucht. Auf jedem Kontinent fallen die Menschen wie die Fliegen, besser gesagt, werden zu unappetitlichen Unmenschlichen transformiert. Gelang es der Widerstandstruppe rund um den Soldaten Nathan Hale im Vorgänger die Eindringlinge in England zurückzuschlagen, müssen nun die unterjochten Vereinigten Staaten von Amerika der 1950er-Jahre befreit werden.

Screenshot

Splatter

Aus der Schulter-Perspektive betrachtet, wirft man sich mit  dem Soldaten Marcus Fenix in die waghalsige Mission sich in die Höle des Löwen zu begeben, bzw. sich in klaustrophobisch anmutenden Bohrkapseln in die Brutstätte der Locust zu graben. Von Anfang an macht GoW 2 keinen Hehl daraus: Hier geht es um den rohen Kampf Übermonster gegen Übermensch, Kugelhagel gegen Brustpanzer, abgerissene Beine und aufgeplatzte Köpfe. Dieses Prinzip wird in Perfektion verfolgt.
Als kaltschnäuziger Soldat stürzt man sich mit einem Kettensägenmaschinengewehr ausgerüstet in die Schlacht. Verschanzt sich hinter allem und jeden – verletzte Feinde können als Fleischschilde missbraucht werden -, ballert aus der Versenkung und bricht schließlich  auf Gegner herein, um sie von oben, unten, links und rechts zu zersägen. Sich windende Locusts lassen sich mit verschiedensten Hinrichtungsmethoden ins Jenseits schicken. Splatter pur.

Screenshot

Q

Mit der Betonung auf „ein bisschen“, geht Hale bei seiner Aufgabe feinfühliger vor. Aus der Egoperspektive geschossen, sieht man auch hier jede Menge Körperteile und Blut durch die Gegend spritzen. Der Fokus liegt jedoch weniger auf der Konfrontation „Mann gegen Mann“, als auf der Bewältigung  massenhafter Monsterscharen. Von taufrischen Zombies in Horden bis zu hochhaushohen Riesenkraken im Hafen der Invasion scheinen alle Blut geleckt zu haben.
Und wenn Q schon nicht mehr in James Bond auftreten darf, so scheint  er sich in irgendeiner Weise bei der Entwicklung von Res 2 eingeschlichen zu haben. Wärmesuchende, panzerbrechende Laserwaffen, Benzingranaten oder vollautomatische Zielerfassung abgefeuerter Projektile – mehr als nur der Zweck heiligt die Mittel.

Screenshot

Stillleben

Schnörkelloser rattern die Gattlings in den Händen der Gears. Auf den Fassaden fein ziesellierter Ruinen, zwischen Felsschluchten und in gigantischen Grotten hinterlassen Mündungsfeuer ihren wärmenden Schein. Der hohe Detailgrad der grafischen Ausarbeitung macht sich insbesondere bei den wilden Kreaturen bemerkbar. In den Verschnaufpausen lohnt der Blick in die Ferne. Ein viel schöneres Stillleben, meist grau in braun, kann man sich von einem Schlachtfest nicht erhoffen. Im Unterschied zum Vorgänger passiert aber vor allem nun am Schlachtfeld mehr. Die Variationen sind gegeben genauso, wie die Fülle an Gegnern.

Screenshot

Riesen

Die USA sieht, besetzt von Außerirdischen, indes nicht weniger spektakulär aus. Res 2 hat im positiven Sinne kaum noch Ähnlichkeiten mit dem Vorgänger und strahlt mit bunten, äußerst abwechslungsreichen Szenarien. Von dichten Wäldern, in denen unsichtbare Raubtiere lauern bis hin zum okupierten Chicago, durch das Riesen stampfen, haben die Entwickler in jeder Hinsicht ihre einstigen Grenzen gesprengt.

Guter Ton
Beide Spiele gemein haben die glaubhafte Geräuschkulisse. Der Kugelhagel schwirrt bei gegebener Anlage durchs Wohnzimmer und die Synchronstimmen zaubern den Akteuren Menschlichkeit auf die Lippen.

Screenshot

Kooperativ

Neben den umfangreichen Kampagnen komplettiert in beiden Fällen ein unterhaltsamer Mehrspielermodus das Gesamtpaket.

GoW 2 erlaubt das Spielen der Kampagne im Kooperativ-Modus, wobei man zu zweit nicht nur neben einander Kämpft, sondern auch taktisch agieren muss.

Res 2 greift dieses Prinzip auf und baut es aus: Eine eigene Kampagne können bis zu acht Spieler gemeinsam in Angriff nehmen. Jeder Teilnehmer hat hier die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Spielerklassen (Medic, Soldier, Spec Ops), deren Fähigkeiten es gilt im Kampf zu kombinieren.

Screenshot

Horden

Das Highlight von GoW 2 ist neben den klassischen Multiplayer-Modi der Horde-Mode. Hier versucht man schlicht und ergreifend gegen Horden von anstürmenden Locusts zu bestehen. Erinnert an Zombie-Streifen und macht süchtig.

Die Horden packt Res 2 in seinen klassischen Mehrspieler-Part und lässt bis zu 60 Spieler gegeneinander online antreten. Der Trick: Die 60 Partizipanten werden in kleinere Squads zusammengefasst, denen bestimmte Ziele zugeordnet werden. Dadurch kämpft man immer nur gegen die rivalisierende Truppe. Insgesamt kommt aber im Bewusstsein, dass alles gleichzeitig passiert, ein richtiges Gemeinschaftsgefühl unter den 30 Mitspielern auf, da jeder Squad zum Sieg beitragen muss.

Screenshot

Fazit

GoW 2 erfindet das Rad nicht neu, das hat bereits der erste Teil getan. Der 3rd-Person-Shooter baut seine Stärken aus und fügt mit einer stimmigen Story die einst fehlenden Puzzleteile zusammen. Dass die Einzelbilder dabei oft an Schüttbilder Hermann Nitschs erinnern, darf abschrecken, kann über die Verspieltheit dieser pompös inszenierten Hardcore-Unterhaltung jedoch nicht hinwegtäuschen.

Screenshot

Resistance 2 hat sich hingegen mit dem zweiten Teil vom seichten Egoshooter emanzipiert. Das ist ein pulstreibender Kampf ums Überleben der Menschheit, gezuckert durch die Vision und gelungene Umsetzung einer futuristischen Vergangenheit. Der absolute technische Feinschliff fehlt da und dort, hindert Res 2 aber nicht daran großes Action-Kino zu sein. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 23.11.2008)

Hinweis: Gears of War 2 von Epic ist bereits für Xbox 360 erschienen. Resistance 2 von Insomniac Games erscheint am 3. Dezember für PlayStation 3.

Screenshot