Weit weniger romantisch als "Piraten der Karibik" ist das Phänomen der Piraterie im 21. Jahrhundert. Die Zustände in Somalia sind chaotisch, nicht selten entschließen sich gelernte Fischer das Fach zu wechseln und ihren Lebensunterhalt mit Überfällen auf internationale Handelsschiffe zu verdienen, die im Golf von Aden unterwegs sind. Zum Teil sind die Piraten auch ehemalige Soldaten der somalischen Marine. Die Internationale Gemeinschaft scheint dem kaum etwas entgegen setzen zu können. Die Überfälle haben vor allem in diesem Jahr eklatant zugenommen, wie auch die Brutalität mit der sie durchgeführt werden.

Warum verhaftet niemand die Piraten?

Das ist nicht so einfach. Somalia selbst ist derzeit vom Bürgerkrieg beherrscht, die Übergangsregierung verdient ihren Namen nicht. Ein funktionierendes Justizsystem gibt es nicht. Clans kontrollieren große Teile des Landes. Die Küste Somalias gehört zur Region Puntland, die sich zum autonomen Teilstaat erklärt hat. Für Anfang 2009 sind dort Präsidentschaftswahlen  vorgesehen. Dem amtierenden Präsidenten Adde Musse werfen Kritiker Tatenlosigkeit gegenüber der Armut und Kriminalität im Land vor. Puntland ist von kriminellen Banden gezeichnet. Eine Marine oder Sicherheitskräfte existieren nicht.

Auch die internationale Marine kann und will die Piraten nicht festnehmen, weil unklar ist, wohin sie dann gebracht werden können. Eine Übergabe an die somalischen Behörden ist aus oben genannten Gründen nicht möglich. Eine Überstellung an die Gerichte der jeweiligen Marineeinheiten ist rechtlich ebenfalls kompliziert.

Woher haben die Piraten ihre gute Ausrüstung?

Jede Entführung bringt einen schönen Patzen an Lösegeld ein. Ein Teil der Summe wird für die Aufrüstung der Piraten verwendet. Da Piraten gut bezahlt sind, gibt es auch genügend Männer, die an diesen Jobs interessiert sind. Die Entführung eines großen Frachters bringt zum Beispiel zumindest eine Million Dollar. Vor Somalia erpressten die Piraten seit Jänner etwa 30 Millionen Dollar. Die Seeräuber werfen jedes Mal, wenn sie ein Schiff geentert haben, ihre Satellitentelefone ins Meer, damit sie auf ihrem Weg zur somalischen Küste nicht so leicht geortet werden können.

Welchen Schaden richten die Piraten damit an?

In letzter Zeit sind die Versicherungssummen für Schiffe, die durch den Golf von Aden fahren, empfindlich gestiegen. Auch wenn also keines ihrer Schiffe entführt wird, haben die Schiffseigner hohe Kosten.

Alle Schifffahrtslinien von Europa zum indischen Ozean führen durch den Golf von Aden. Damit  hat der Golf dieselbe Bedeutung wie der Suezkanal. Wollte man eine Alternativstrecke benutzen, wäre das die bedeutend weitere und daher teurere Route über das Kap der guten Hoffnung.

Woher wissen die Piraten, welcher Überfall sich rechnet?

Es wird vermutet, dass die Piraten in diversen Häfen über Informanten verfügen, die ihnen Tipps zukommen lassen und am "Gewinn" mitschneiden.

Wo sind die Heimathäfen der Piraten?

Mehrere Stützpunkte befinden sich auf der 1400 Kilometer langen somalischen Küste. Ein bekanntes "Piratennest"  ist die Fischereistadt Eyl mit etwa 19.000 Einwohnern. Sie liegt an der Ostküste der Region Nugaal, die Teil von Puntland im Norden Somalias ist. Die eigentlichen Basen der Piraten sind allerdings dir Mutterschiffe, kleinere Beuteschiffe, die mit Schnellbooten ausgestattet sind und auf den ersten Blick unverdächtig sind. Marineeinheiten erkennen die Schiffe daran, dass sie die üblichen Handelsrouten verlassen und queren oder sich in einer unüblichen Geschwindigkeit fortbewegen (Piracy Reporting Center). Derzeit sind in Somalia 17 Schiffe und rund 340 Seeleute in der Gewalt der Seeräuber.

Wie können Seeräuber einen Riesentanker wie die "Sirius Star" entführen?

Mit den PS-starken Schnellbooten, die kaum vom Radar geortet werden können, überfallen die Piraten dann blitzartig Frachter oder Tanker. Sie gehen dabei wie "konventionelle" Piraten vor und entern die Schiffe. Oft täuschen die Kriminellen auch Pannen vor oder spannen ein Seil zwischen zwei kleinen Booten, das sich am Bug des Tankers verhängt und die Booten dann längsseits zieht. Von allen versuchten Überfällen gelingen ungefähr ein Drittel. Mittlerweile rüsten sich immer mehr Tanker mit Elektrozäunen auf der Reling. Waffen dürfen zivile Schiffe offiziell nicht mitführen. Außerdem warnt das Piracy Reporting Center die Besatzungen der Schiffe ausdrücklich, ihre Leben durch Selbstverteidigen in Gefahr zu bringen. Meist kommen die entführten Besatzungsmitglieder nach der Lösegeldübergabe unbeschadet frei. Gegenwärtig befinden sich 17 Schiffe mit rund 340 Besatzungsmitgliedern in der Gewalt der somalischen Piraten. (mhe, red, ftd, 20.11.2008)